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Harry Glück 1925 - 2016

Wie Frei Otto, so schien auch Harry Glück den zu seiner baulichen Tätigkeit perfekt passenden Namen zu haben: Das größtmögliche Wohnglück für möglichst Viele war das pragmatische Ziel, das er in seiner Dissertation methodisch untermauerte. 1925 in Wien geboren, studierte Glück Bühnenbild und Regie am Reinhardt-Seminar, bevor er zur Architektur und an die TU wechselte. Mit 41 gründete er im Jahr 1966 ein eigenes Büro, das nach gut wienerischer Tradition seine wichtigste Aufgabe im Wohnbau sah. "Wohnen wie Reiche, auch für Arme" – das hätte so wohl auch Adolf Loos unterschrieben. Das Erstaunliche dabei: Es funktionierte und tut es bis heute. 18.000 Wohnungen hat Harry Glück im Laufe seines langen, erfolgreichen Lebens in und um Wien realisiert, zu Beginn mit Carl Auböck im verdichteten Flachbau à la Roland Rainer, dann hauptsächlich in großen mehrstöckigen Anlagen. Die schiere Masse an Wohneinheiten und Rationalisierung der Konstruktion und Ausführung machten es möglich, Luxus-Infrastruktur wie z. B. die berühmten Pools auf den Dächern der Wohnpyramiden von Alterlaa in den Bausummen unterzubringen. Die Wahrnehmung gerade in der zeitgenössischen Fachwelt war nicht immer positiv, nicht zuletzt wegen der zuweilen filzigen politischen Zusammenhänge, innerhalb derer die Anlagen entstanden. Im Übrigen leistete sich Glück architektonisch durchaus Ausrutscher – die größten waren aus heutiger Sicht sicherlich der Franz-Josephs-Bahnhof und das "Marriott" am Parkring –, meist war er aber am Puls der Zeit, ohne sich einem Massengeschmack anzubiedern. Die mit Pflanzenwannen ausgestatteten Betonterrassen-Stufenpyramiden-Agglomerationen, die man leicht als Glück-Entwürfe identifiziert, sind signifikante Teile des Wiener Stadtbildes geworden. In den letzten Jahren begann sich die Wahrnehmung zu wandeln: Der Architektur der 1970er Jahre wurde wieder Aufmerksamkeit geschenkt und von einer jüngeren Generation auch bauliche Qualität zugebilligt. Den Bewohnern von Glück-Anlagen wie Alterlaa war das freilich nichts neues: Die geschmähten "Betonburgen", die dem südlichen Weichbild der Stadt eine geradezu mesopotamische Sihouette verleihen, erfreuen sich seit jeher höchster Wohnzufriedenheit und verzeichnen schon deshalb keinen Leerstand, weil zahlreiche in der Anlage Aufgewachsene in ihr mit ihren Familien selbst wieder Wohnungen bezogen und beziehen. In den Medien war zuletzt auch Glücks Rechenzentrum gegenüber dem Café Eiles an der Zweierlinie, das, vor 35 Jahren für die Computer-Infrastruktur der Stadt Wien gebaut, aktuell leersteht und durch das Investorenprojekt einer signifikant größeren Struktur ersetzt werden soll. Die Quadratmetermiete soll im Neubau mindestens 25 Euro betragen. Im Alterlaa sind es 7,50 Euro – warm. Nun ist der zu seinem 90. Geburtstag letztes Jahr vielfach geehrte Harry Glück 91jährig in Wien verstorben.
Mehr Texte von Iris Meder †

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