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Lawrence Weiner - wherewithal I was es braucht: Der Schlüssel zum Ventil

„WHERWITHAL/WAS ES BRAUCHT“ – so lautet der Titel Lawrence Weiner-Ausstellung im Kunsthaus Bregenz. Über vier Geschoße sind Weiners zweisprachige formelhafte Poeme in englischer und deutscher Sprache farbig und ausladend auf dem grauen Sichtbeton schablonenhaft appliziert. Bregenz bezeichnet er für sich selbst als speziell spannungsreichen Ort, da hier mehrere „tektonische“ bzw. politische Grenzen wie auch Kulturen auf engem Raum zusammenstoßen. In der Eingangsebene findet sich unvermeidlich ein inhaltliches Motto: „Built up with stones fallen down from the sky“ / „Aufgebaut mit vom Himmel gefallenen Steinen“, aber mit „up“ / „hinauf“ bzw. „down“ / „herunter“ zugleich auch ein Hinweis auf den Rundgang in der Ausstellung. In den oberen Ausstellungsebenen sind die Sprach- oder Wortarbeiten zu sehen, im Untergeschoß spricht der Künstler in zwei Videointerviews über seine Gedanken zur Ausstellung und seinen Künstlerbegriff. An sich verweigert Weiner Interpretationen zu seinen Wortarbeiten konsequent. Mithilfe seiner Erläuterungen und im Gespräch mit dem Kunsthistoriker (und artmagazine Autor) Rainer Metzger kann das Publikum hier jedoch einen Schlüssel zu seinem Werk finden. Für Weiner ist das Wort gleichbedeutend mit dem Material Stein, folglich sieht er seine Arbeiten als Skulpturen und bezeichnet sich daher als Bildhauer. Die wesentlichen Grundsätze seiner Kunstproduktion finden sich bereits in seiner 1968 veröffentlichten berühmten Erklärung zu Kunst und Künstler: 1. Der Künstler kann das Werk selbst ausführen. 2. Das Werk kann von einer anderen Person realisiert werden, und 3. Die Idee des Werks muss nicht tatsächlich ausgeführt werden. Jede Möglichkeit ist gleichwertig und entspricht jeweils der momentanen Absicht des Künstlers. Die Entscheidung über die Art der Ausführung liegt beim Empfänger im Moment der Rezeption. Dieses individuelle Statement zur Conceptual Art hat für Weiner auch nach fast fünfzig Jahren seine Gültigkeit behalten. Daher bevormundet Weiner den Besucher nicht, sondern erwartet vom Publikum, selbst hinzuschauen und selbst zu einer Interpretation zu finden – oder eben nicht. In der Bregenzer Schau lässt sich die aktuelle weltpolitische Landschaft in seinen Wortarbeiten erkennen. Ein erstaunliches, gleichwohl erschreckend reales Phänomen zeigt sich in der formalen Adaption von Lawrence Weiners minimalistischen Sprachskulpturen durch die Massen- und Sozialen Medien. Mit den üblichen kurzen Tweets von maximal 140 Zeichen, wie dies bei Twitter möglich ist, kann heute prägend brisante Weltpolitik gemacht werden. Höchst beunruhigend sieht Weiner die politische Entwicklung in seiner Heimat, den U.S.A. – verstärkt durch andere Hotspots in der Welt, die offensichtlich auf einen gewaltsamen, zerstörerischen Ausbruch hinsteuern. In der Arbeit „The boulders on top rent & split“ / „Die Brücken obenauf zerrissen und gespaltet“ vermittelt Weiner explizit diese bedrohliche Grundstimmung, die er mit dem Bild von Geysiren vergleichen möchte, die für den unterirdischen Überdruck bei tektonischen Krusten wie ein Ventil funktionieren. Letztlich drängt sich hier dann die Frage auf: Kann Kunst die Funktion eines Ventils einnehmen?
Mehr Texte von Romana Schuler

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Lawrence Weiner - wherewithal I was es braucht
12.11.2016 - 22.01.2017

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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