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Natur auf Abwegen? Mischwesen, Gnome und Moster (nicht nur) bei Hieronymus Bosch: Von Sonnenschirmfüßen und Rochenflügelbasilisken

Irgendwo, am Rande der Erde, da wohnen sie: Menschen mit verdrehten Beinen, Elefantenohren oder mit nur einem Fuß – der aber so groß ist, dass er, reckt ihn sein Träger in die Höhe, Schatten spendet. Die Wesen, über die in der Antike berichtet wurde, gab es wirklich – zumindest wenn man der Schedel’schen Weltchronik aus dem Jahr 1493 Glauben schenkt. In diesem „Reisebericht“ werden die „Weltrandbewohner“, umrahmt von allerlei Erläuterungen, abgebildet; gerade so, als hätte sie der Verfasser tatsächlich mit eigenen Augen gesehen. Es gehört zu den kuratorischen Raffinessen der Ausstellung „Natur auf Abwegen? Mischwesen, Gnome und Monster (nicht nur) bei Hieronymus Bosch“ in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, dass auf dieses Exponat die Persiflage darauf folgt: Gleich daneben nehmen Karikaturen von François Desprez Vorstellungen von derart monströsen Menschenwesen aufs Korn. Die Ausstellung, die Kuratorin Martina Fleischer auf die Beine gestellt hat, strotzt keineswegs vor teuren Leihgaben. Auch wenn man sich so was an diesem Ort, wo ein Hauptwerk des Hieronymus Bosch präsentiert wird, in dessen Jubiläumsjahr erwartet hätte. Zwar war ein groß angelegtes Projekt aufgrund von Planungsunsicherheiten hier nicht möglich. Dafür gelang mit rund 30 Leihgaben und vielen Exponaten aus der eigenen Sammlung eine so konzise wie instruktive Schau. Das Monströse, das in Boschs Weltgerichtstriptychon eine so wichtige Rolle spielt, wird in fünf verschiedenen Kapiteln beleuchtet, etwa in Bezug auf dessen Zusammenhang mit den Todsünden (unter anderem mit einer Sirene aus einem Wiegendruck des späten 15. Jahrhunderts) oder auf dessen Bedeutung in der Dichtung – unter anderem bei Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus“, wo ein Mischwesen am Anfang steht. Zu den Highlights der Schau gehört zudem ein Basilisk aus winzigen Rochenteilen, den Fleischer im Naturhistorischen Museum aufstöberte und neben eine Illustration von Ulisse Aldrovandi stellte – einen Drachen mit Rochenflügeln, um 1600 entstanden. Zu dieser kulturhistorisch spannenden, überaus kenntnisreich und disziplinenübergreifend kuratierten Schau hätte man sich nur noch einen Katalog gewünscht, in dem man all das nachlesen kann.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Natur auf Abwegen? Mischwesen, Gnome und Moster (nicht nur) bei Hieronymus Bosch
04.11.2016 - 29.01.2017

Akademie der bildenden Künste Wien. Kunstsammlungen
1010 Wien, Schillerplatz 3, 1. Stock
Tel: +43 1 588 16 2201, Fax: +43 1 588 16 2299
Email: kunstsammlungen@akbild.ac.at
https://www.kunstsammlungenakademie.at/
Öffnungszeiten: Di-So, Feiertag 10-18 h


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