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Alice im Erdeerland

Es brauchte eine Ausstellung in der Mark Moore Gallery, Santa Monica, im sonnigen Kalifornien, damit Christoph Schmidbergers realistische Ölbilder und Bleistiftzeichnungen einmal zu einer Publikation kompiliert wurden. Herausgekommen ist ein unerhört schillerndes Kompendium, das beim flüchtigen Durchblättern wirkt wie das Buch zum Film. Welcher Film? Gute Frage. Die einzelnen Arbeiten sind nicht gerade geschwätzig. Da sind Szenen mit jungen Leuten in der Stadt, am Pool, zuhause oder im Auto, Landschaften, Tiere und Porträts. Eine Serie mit dem Titel ?Faster? zeigt roadmovieartig durch die Geschwindigkeit verzerrte Blicke aus dem Autofenster. In einer anderen, rätselhafteren, liegt eine attraktive junge Frau im schicken Party-Outfit in einem Blumenbeet am Wegesrand. Ein weißes Häschen bewacht sie. Und all das ist vollkommen realistisch gezeichnet und gemalt, in Schwarzweiß und in Pinktürkis. Längst muss sich ein realistischer Maler nicht mehr rechtfertigen für sein Tun. Noch weniger muss das Schmidberger, dem es gelingt, seine aus dem Leben gegriffenen Motive und Szenen dermaßen zu übersteigern, dass sie wie unwirkliche Visionen auf die kollektiven Albträume, Sehnsüchte und Wunschbilder seiner Generation verweisen. Raffiniert spielt er dabei mit dem, was üblicherweise als kitschig oder künstlich bezeichnet wird und kreiert so eine ästhetisierte Oberfläche, die allem einen hollywoodmäßigen Glamour verleiht. Dazu kommt die Ausschnitthaftigkeit der Bilder, durch die viele Personen ohne Kopf zu sehen sind, dafür aber die Aufmerksamkeit etwa auf eine Hand am Lenkrad gerichtet wird. Durch die Abfolge der Abbildungen im Buch wirken sie wie eine geheimnisvolle Erzählung aus Filmstills. Die alltäglicheren Bilder erhalten eine tiefere Bedeutung. Und dann sind da ja auch noch die wirklich mysteriösen wie die oben erwähnten mit Frau und Häschen. Ist sie das Opfer eines Mordanschlags? Oder hat das weiße Kaninchen sie nur in eine Welt geführt, in der sie träumen kann, wie der an den psychedelischen Beatles-Song "Strawberry Fields Forever" erinnernde Buchtitel nahe legt? Die Sehnsucht ist Schmidbergers Triebfeder. Sie lässt ihn vieldeutige, verheißungsvolle Bilder schaffen ? und ein Buch wie einen Film von David Lynch. Christoph Schmidberger: Lavender Fields Forever, Triton Verlag, Wien 2003, ISBN 3-85486-154-0 www.christoph-schmidberger.com www.triton-verlag.com
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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