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Torsten Neeland - Perspektiven: Substanzielle Assoziationen

Als Programmpartner der Vienna Design Week stellt Harald Bichler in seinem Rauminhalt das Werk von Torsten Neeland vor, dem gebürtigen Hamburger Designer, der seit den 90er Jahren in London lebt und von dort aus seine Arbeiten im internationalen Kontext entwickelt. Das besondere Anliegen von Torsten Neeland war, mit seiner Ausstellung Perspektiven eine kulturelle Brücke zwischen London und Wien zu spannen. In Zusammenarbeit mit dem traditionsreichen Unternehmen, der Silberschmiede Jarosinski & Vaugoin im 7. Wiener Gemeindebezirk, wurden zum einen ein handgefertigtes Salatbesteck und ein Kerzenhalter erzeugt. Zum anderen wurden die Geräusche während der Herstellung des Tischgeräts in der Werkstatt aufgenommen. Die Klänge des Schneidens, Schleifens, Lötens, Hämmerns und Feilens des Silbers wurden zu den Grundbausteinen für den Londoner Sound Artist Ben Lancaster, die er zu einer Komposition verwob, die nun die Perspektiven im Rauminhalt akustisch erfüllt. Torsten Neeland arbeitet mit Vorliebe disziplinübergreifend. Seine sehr klare Formsprache ist meist das Resultat eines komplexen Entwicklungsprozesses, in dem auch bemerkenswert lebensnahe Aspekte verarbeitet sind. Die Nachhaltigkeit der von ihm verwendeten Materialen ist dabei nur eine beiläufige Selbstverständlichkeit. Für die Präsentation von Yohji Yamamotos Kollektion Frühling/Sommer 2014 entwarf er die Kleiderständer Urban Nomad 1 und 2, die von Hand leicht zerlegbar und platzsparend transportabel sind. Die aufgrund der Funktionalität reduzierte Form, gibt dem Kleiderständer Eleganz, das Material Ahornholz und Kork vermittelt Wärme, sodass er sich nicht nur für Fashion Shows, sondern auch für den Wohnbereich eignet. 2007 wurde in der Queen Elizabeth Hall des Southbank Centre in London das Tanzstück And Who Shall Go to the Ball And What Shall Go to the Ball? nach der Musik und der Idee von Scott Walker aufgeführt. Gemeinsam mit Choreograph Rafael Bonachela und der Candoco Dance Company wurde von Torsten Neeland eine tiefgründige Inszenierung entwickelt. Körperbehinderte und nichtbehinderte TänzerInnen waren zu gleichen Teilen in die Performance involviert, in der sie mit Rollstuhl und Krücken aufraten, dabei die Rollen und Utensilien tauschten bis versehrte und unversehrte TänzerInnen nicht mehr unterscheidbar waren. Es entstand ein abstraktes Ballszenario, ein nicht narratives, emotional aufgeladenes Schauspiel von unbehaglicher Schönheit. Der „schöne Tanz“ wurde aufgebrochen und damit der herkömmliche Begriff von Ästhetik für einen neuartigen Zugang geöffnet. Torsten Neeland gestaltete die Bühne, die Kostüme und das Licht. Das gesamte Bühnenbild musste klappbar und in einem Behältnis verstaubar sein, reisetauglich für die Tourneen der Truppe. Als deutungsvolles Requisit entwickelte Neeland einen dysfunktionalen Stuhl. Er enthob das Sitzmöbel seiner Funktion, minimierte es auf die Silhouette eines Stuhls und manipulierte die Konturen zu einer asymmetrischen Dysharmonie, sodass seine Funktion auf ein zeichenhaftes Objekt reduziert war. Als aussagekräftiges Zitat des gesamten prekären Kontextes posiert er in skulpturaler Präsenz mehrfach in der Ausstellung Perspektiven. Unter den weiteren weiteren präsentierten Objekten aus Neelands Produktion fällt vor allem ein Teppich auf: In schlichtem, eleganten Elfenbeinweiß fragile Empfindlichkeit ausstrahlend, tatsächlich aber aus Schurwolle dicht getuftet und daher sehr widerstandsfähig. Im Relief der Oberfläche zeichnen sich deutlich Gegenstände ab: Gabel, Messer, Löffel, Flaschen, Krüge und - etwas zusammenhanglos - auch Hammer. Mit dem Stuhlobjekt daneben ergibt sich eine absurde Konstellation, als bitte man im Rauminhalt auf einem nicht funktionierenden Stuhl zu einer gedeckten Tafel, die nicht verwendbar ist. Es ist eine verfängliche Situation, wie sie Torsten Neeland mit Lust heraufbeschwört: Alltagsgegenstände, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben, werden an einen Ort manövriert, wo sie nichts zu suchen haben. Sie sind auf dem Teppich eindeutig deplatziert. Mit der bewussten Verschiebung der gewohnten Zusammenhänge will Neeland eine Spannung erzeugen und Assoziationen wecken. Die Kombination mit dem dysfunktionalen Stuhl multipliziert den beunruhigenden Sachverhalt. Torsten Neelands Vorgangsweise ist klar und direkt und die Konklusion im jeweiligen Produkt konkret umgesetzt. Sie kommt aus einer Präzision der Aufgabenstellung und sucht die konzentrierte Lösung. Neeland kann einen theoretischen Überbau vernachlässigen, kann auf erzählerische Details verzichten. Der Weg ist zwar wichtig, doch entscheidend ist das Ergebnis: gegenwärtig, substanziell und doch vieldeutig.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Torsten Neeland - Perspektiven
30.09 - 22.10.2016

rauminhalt - space & content
1040 Wien, Schleifmühlgasse 13
Tel: +43 650 409 98 92
Email: design@rauminhalt.com
http://www.rauminhalt.com
Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 12.00 bis 19.00 Uhr, Sa. 10.00 bis 15.00 Uhr


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