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Mit Papier gegen Kirchtürme

Das Brüsseler Galeriewochenende hat mit Art on Paper eine kleine sympathische Begleitung erhalten, die Einsteiger und spezialisierte Sammler gleichermaßen anspricht. Ausnahmsweise scheint ganztägig die Sonne in Brüssel. Der hier sowieso kaum bekannte Sommer reicht noch bis weit in den September. Da fahren die Brüsseler gerne noch mal für ein Wochenende ans Meer. Das freut nicht jeden. Denn wer am Strand liegt, geht nicht zum Brussels Gallery Weekend. So schnell wird die Bambi-Skulptur von Paul McCarthy (Auflage 3, 1,9 Mio. US-Dollar) wohl auch nicht aus dem Garten der Galerie Xavier Hufkens weggekarrt werden. Der Eventcharakter der gemeinsamen Galerien leidet jedoch etwas darunter. Immerhin kann, wer die Tour durch die 32 Galerien plus einer ganzen Reihe Off-Räume und Sammlungen unternimmt, sich häufiger an dem Gefühl erfreuen, mit dem von der Art Brussels gesponserten Shuttle-Service über einen Privatfahrer zu verfügen. Eigentlich sind es nur 31 Galerien, denn Erstteilnehmer Didier Claes hat sich verkalkuliert. Der Afrika-Spezialist wollte seine neuen großen Galerieräume an der Avenue Louise, wo mittlerweile das Herz der Galerienszene schlägt, mit einer Gegenüberstellung von Stammes- und zeitgenössischer Kunst eröffnen und ist nicht fertig geworden. Zwei Straßen weiter füllt sich das vor zweieinhalb Jahren eröffnete Galeriehaus Rue de la Regence 67 immer weiter mit Leben. Im Vorderhaus fügen sich bei Attic Richard Butlers Materialbilder aus Staub, Haaren, Textilresten und Pigment (1.000 bis 4.200 Euro) so nahtlos in den ruinösen Altbaucharme der Galerie ein, dass sie fast darin aufgehen. Im Hinterhaus, wo im Obergeschoss der Art Brussels-Konkurrent Independent sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, begrüßen den Besucher im Untergeschoss bei Sorry We're Closed die bizarr-klobigen bis Max Ernst-haft humorigen Skulpturen von Stefan Rinck. MonChéri, die sich in Paris gerade mal ein Schaufenster leisten, bespielen hier eine ganze Etage, auf der man Béla Pablo Janssen bei seiner Entdeckung des weiblichen Körpers auf mittelformatigen Leinwänden begleiten kann. An das Datum der Galerien hat sich eine kleine Messe im Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum Bozar angedockt. Mit nur 25 Ausstellern und Teilnahmekosten um 3.000 Euro reiht sich Art on Paper in den Trend alternativer Spezialformate für zumeist jüngere Galerien ein. Für Galerien, die Arbeiten auf Papier zeigen möchten, ist ein regulärer Stand auf einer etablierten Messe auch kaum noch leistbar. Im sechsköpfigen Beirat ist nur ein Galerist, dafür vier Vertreter aus Institutionen und ein Sammler, was der Qualität zugute kommt. Brüssel kann sich also freuen, mit dieser vom Bozar und einer Veranstaltungsagentur zum zweiten Mal abgehaltenen Messe, Sammlern einen weiteren Grund zu einem Besuch zu liefern. In der Realität hält sich die Zusammenarbeit jedoch in Grenzen, da dem Vernehmen nach einige Galerien des Weekends ihre Kontakte nicht mit Auswärtigen teilen möchten. Diese Art der Kirchturmpolitik scheint aus Deutschland irgendwie vertraut. Einige etablierte Brüsseler nehmen hingegen sehr wohl teil. Offensichtlich finden gerade diese es attraktiv, hier Einzelpräsentationen ihrer Künstler zeigen zu können, für die sie wohl kaum auf der Frieze oder Art Basel einen Stand reservieren würden. So kommt der Besucher hier in den Genuss, bei Baronian aquarellierte Collagen von Tony Oursler (ab 4.000 Euro) sehen zu können. Und die jüngeren Galerien stellen für die Einheimischen in der Regel keine Konkurrenz dar. Die feingliedrigen Zeichnungen Simon Woolmans kosten ab 425 Euro bei der Paper Gallery aus Manchester. Als junger Galerist aus der nordenglischen Provinz ist David Hancock auf internationale Sichtbarkeit angewiesen. Für Charlie James aus Los Angeles hingegen stellt die Messe eine günstige Gelegenheit dar, den Marktplatz Brüssel zu erkunden, um sich eventuell zukünftig für die Art Brussels zu bewerben. Die Kölner Galerie Rehbein wiederum hat im Rivoli Building im Galerienviertel um die Avenue Louise bereits einen Showroom in der Stadt, den sie mit ihrer Teilnahme sichtbarer machen möchte. -- brusselsgalleryweekend.com www.artonpaper.be
Mehr Texte von Stefan Kobel

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