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Art Brussels: Jetzt erst recht

Ein hemdsärmeliger neuer Konkurrent, ein nicht von allen Kunden geliebter Umzug in eine teurere Location, der Abgang der künstlerischen Direktorin und dazu noch ein Land in Schockstarre nach Terroranschlägen. Dass die aktuelle Ausgabe der Art Brussels eine Herausforderung darstellen würde, war schon seit letztem Jahr klar. Aber in Belgien scheint sich allmählich eine "Jetzt erst recht"-Haltung breitzumachen, die sich vom Terror nicht unterkriegen lassen will. Schon auf der früher als sonst beginnenden Vernissage war zu spüren, dass die belgischen Sammler mit festen Kaufabsichten in die Hallen des ehemaligen Postbahnhofs Tour & Taxis gekommen waren. Franzosen, Deutsche, Niederländer und Briten waren ebenfalls zahlreich erschienen, nur Amerikaner machten sich rar. Sie verpassen eine runderneuerte Messe, die für sich einnimmt. Die Tageslichthallen haben eine viel angenehmere Atmosphäre als die alten Messehallen am Atomium. Platzbedingt wurde das Teilnehmerfeld auf gut 150 gestrafft, was der Qualität gutgetan hat. Dabei ist eine Sektion komplett gestrichen worden. "Young" hätte ein kaum noch zu fassendes Profil gehabt, da viele Galerien und Künstler in diesem Bereich schon seit Jahren vertretenen gewesen seien, erzählt Anne Vierstraete, Managing Director der Messe. Die habe man jetzt entweder dem "Prime"genannten Hauptfeld zugeschlagen oder nicht mehr zugelassen. Oder sie haben sich nicht mehr beworben. Denn mit der Verkleinerung ging eine kräftige Preiserhöhung einher. Die Zeitgenossenschaft der Messe wird mehr betont. Die "Discovery" für die tatsächlich junge Galerien wurde auf 30 Teilnehmer erweitert. Die neue "Rediscovery" ermöglicht es Galerien, künstlerische Positionen der 70er und 80er Jahre wiederzuentdecken, die vom Markt und den Institutionen bisher vernachlässigt wurden. Da die Brüsseler mit dieser Idee weder die ersten, noch wahrscheinlich die letzten sind, wird man sich darauf freuen dürfen, dass irgendwer demnächst die Jungen Wilden aus der zweiten und dritten Reihe "wiederentdeckt". Größtes Thema in Brüsseler Kunstkreisen ist zur Zeit die Ankunft der Independent. Die von Galeristen gegründete Messe hat sich in einem ehemaligen Kaufhaus der belgischen Hauptstadt einquartiert und insgesamt 60 Freunde eingeladen. Klingende Namen aus dem Oberhaus des Kunsthandels wie David Zwirner und Gavin Brown sind ebenso dabei wie junge Kollegen, etwa Markus Lüttgen aus Köln oder Gregor Staiger aus Zürich. Die zeigen auf sechs Etagen zumeist strikt Neuproduktionen, gerne auch in raumgreifenden Formaten. Das Angebot wird dem Vernehmen nach gut angenommen. Galeristenaussagen zufolge sind sogar US-Amerikaner zahlreich erschienen, von denen nur seltsamerweise praktisch keiner den Weg zur Art Brussels gefunden zu haben scheint. Die letztjährige Initiative einiger Brüsseler Sammler findet unter dem Titel "Poppositions. The Wrong Side" erneut statt - und zwar ausgerechnet in Molenbeek, allerdings im guten Teil des berüchtigten Stadtviertels. Einige der dort vorgestellten Projekte sind tatsächlich sehenswert. Die Kommunikation scheint jedoch nicht optimal gewesen zu sein - Besucher verirren sich kaum in den ehemaligen Gewerbebau. Außerdem gibt es noch diverse Off-Veranstaltungen, unter anderem eine "Off Course", die neben lokalen Galerien auch Kunsthochschulen ein leider dilettantisch organisiertes Forum bietet. Die Kunstszene gibt sich derzeit alle Mühe, trotz Terrors dem Ruf Brüssels als neuer Hot Spot gerecht zu werden. Dabei wäre es sicher hilfreich, wenn alle Protagonisten zusammenarbeiteten. Genau das passiert allerdings nicht. Berlin lässt grüßen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Brussels
21 - 24.04.2016

Art Brussels @ Tour & Taxis
1000 Bruxelles, avenue du Port 86 C
http://www.artbrussels.com
Öffnungszeiten: 11-19 h


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