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Honi soit qui mal y pense


Ausschnitt aus Wolfgang Ullrich, Siegerkunst, Berlin 2016, S. 63

Galeriewerke als Wertpapiere

Früher waren Eigentümer auf den Bildern dargestellt, heute stehen sie davor. Die Sammler posieren rauchend und trinkend vor den eigenen Bildern. Ihre Werke können sie natürlich nicht sehen. Wolfgang Ullrich würzt die "Siegerkunst" mit pointierten Beobachtungen. (siehe Rainer Metzgers Blog hier im artmagazine vom 30.3.2016) Es ist, als würden die Bilder ihre Sammler von hinten betrachten. Sie schauen auf die Eigentümer mit einer Sehnsucht, die sie eigentlich ihnen bieten sollten. Doch dies ist nur ein Zwiespalt, den gegenwärtige Selbstdarstellung durch Kunst überblendet. Ein anderer ist die freiwillige Selbstunterwanderung. Jene Sammler, die ihr Geld mit zweckrationalen Mitteln erwirtschaften, leisten sich nämlich mit der Kunst den Luxus, die eigenen Handlungsmaximen außer Kraft zu setzen. Der Kauf eines Werkes jenseits vernünftiger Zahlenregionen verschafft ihnen die Freiheit, gegen die tagtäglich geübte und verbindliche Vernunft vorzugehen. Sie beuten ihre Mitarbeiter/innen aus und bauen derweil ein Museum für alle, sagt ein befreundeter Künstler, dem es an Sammleraufmerksamkeit nicht mangelt. Kunst ist Selbstwiderlegung, paradoxe Intervention. Aber nicht immer bekommt die Öffentlichkeit recht, zum Beispiel, wenn Finanzbehörden oder Kritik vorstellig werden. So geschehen mit Ullrichs Buch. Die Eigentümer der Bildrechte verweigern großteils die Abbildungsrechte. Grau melierte Leerstellen prägen den Satzspiegel. Das Bild der Macht - sonst selten bescheiden - verlässt die Courage und wird blind.


Ausstellungsansicht: Fürstenglanz, Winterpalais Wien, Belvedere

Doch wie sehen ähnliche Bilder früher aus? Wie präsentieren sich Eigentümervertreter vor dem Zeitalter von Kunstautonomie und Hochkapitalismus? Eine Ausstellung in der Wiener Himmelpfortgasse erzählt die Geschichte für das 17. und 18. Jahrhundert. Das Winterpalais des Prinzen Eugen als Ort könnte nicht besser gewählt sein. Schließlich war es vor seiner Nutzung als Museum Sitz des Finanzministers. Im Deckenaufgang tragen Atlanten die Last des Bauwerks, Produkt menschlicher Arbeit und frühneuzeitlicher Realwirtschaft, darüber - von feinen stuckierten Zierleisten gerahmt - ein Flachrelief des Prinzen. Unter den aufmerksamen Besucher/innen finden sich junge Anwärter/innen aus dem Theresianum, Ausbildungsstätte österreichischer Diplomatie und bis heute fest in aristokratischer Hand. Eugen war erster Diplomat des türkenfesten Reiches. Die Ausstellung versammelt äußerst Sehenswertes. Im Hauptraum finden sich Galerienbilder, von denen David Teniers’ “Galerie des Erzherzog Leopold Wilhelm” (1647-1651, Prado) wohl das bekannteste ist. In der Ausstellung hängt eine Version im Besitz der Harrachschen Familiensammlung von 1653, fast noch eleganter. Zuerst als Sonderform der Preziosenstücke entstanden, wurden aus diesen Raumaufnahmen mit eng platzierten Kunstwerken Wimmelbilder des erlesenen Geschmacks. Die Italianitá-Begeisterung ist zu erkennen, ebenso die Wertschätzung der Niederländer. Natürlich auch die tänzerische Selbstrepräsentation der Inhaber, die sich mehr dem Blick darbieten als den Bildern widmen. Der Sammler umgibt sich, er lässt sich sehen, ohne selbst sehen zu müssen. Doch er steht nicht davor, sondern immerhin noch mitten drin. Das Kernstück de Ausstellung bilden die aus diesen Gemälden hervorgegangenen »Galeriewerke«. Bücher mit Stichwerken der Sammlungen wurden hergestellt, um Verbreitung und Bekanntheit zu stärken. Es sind die Vorläufer des Ausstellungskataloges, wie Tobias G. Natter, der Kurator der Ausstellung vermerkt, verschickt aus den aristokratischen Versandhäusern Europas. Manche wirken wie großflächig gebundene Wertpapiere. Tatsächlich ist der Aufwand, der für diese Bücher betrieben wurde, imponierend. Famose Formate, kostbare Vorsatzpapiere, delikate Drucktechnik, hauptsächlich in Paris gefertigt. Es sind diese Details, die faszinieren, die Weltgewandtheit und vielen Sprachen, mit denen sie kommentiert werden. Die Herausgeber waren Konservatoren, Galeriedirektoren, Experten, nicht jedoch die Besitzer. Stand und Prestige erlaubten diese Tätigkeit nicht. Sie blieben entweder auf dem Bild oder diesem fern.

Wolfgang Ullrich: Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust, Berlin: Wagenbach 2016
Agnes Husslein-Arco und Tobias Natter (Hg.): Fürstenglanz. Die Macht der Pracht, Ausst.-Kat. Belvedere 2016

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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