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Yael Bartana: Das große Krabbeln

Zu den besten Arbeiten der letzten Manifesta gehörte ein Video der jungen israelischen Künstlerin Yael Bartana. "Trembling Time" handelt von nationalem Gedenken, kollektiven Ritualen und der Allgegenwart des Krieges: Jedes Jahr wird in Israel am "Soldiers Memorial Day" eine Schweigeminute abgehalten, zu der laut heulende Sirenen aufrufen. Bartanas Video zeigt, wie der Verkehr sich verlangsamt, die Autos stehen bleiben, deren Fahrer aussteigen, schweigen und schließlich wieder weiter fahren. Was so beeindruckt, ist, wie Bartana etwas nicht Darstellbares ausdrückt, indem sie lakonisch deren sichtbare Wirkung zeigt: Den Zustand der isrealischen Gesellschaft zwischen staatlicher Autorität, Gehorsam und Gedankenlosigkeit. Nun ist Yael Bartanas neueste Video-Arbeit in der Galerie Kerstin Engholm in Wien zu sehen: andere Bilder, selbes Thema. In "Kings of the Hill" geht es um eine in Israel anscheinend sehr beliebte Freizeitbeschäftigung. Der Film zeigt ein hügeliges Küstengelände nahe Tel Aviv, auf dem voll besetzte Geländewagen touren. Wie riesige Käfer krabbeln die allradbetriebenen Gefährte auf den Hügelchen herum und können oft nicht weiter, weil der Winkel zu steil ist, die Maschinen nachgeben oder andere Wagen sie zum Rückzug zwingen. Wie Bartanas frühere Arbeiten zeichnet sich auch "Kings of the Hill" dadurch aus, dass eine recht gleichförmige Aktion über einen Zeitraum hinweg wertfrei beobachtet wird. Durch die Dauer der Aktion entsteht aber ein Bewusstsein für deren tiefere Bedeutung in den Köpfen der Betrachter. Und das ist ja auch das Feine an Bartanas zurückhaltender Art: Sie attackiert en passant. Sehr schnell erkennt man, dass in den Wagen nur Männer sitzen. Frauen sieht man beinahe gar nicht, und wenn doch, sehen sie nur zu. Das Gewimmel der Fahrzeuge erinnert an einen Ameisenhaufen von oben betrachtet, mit dem Unterschied, dass das Herumfahren ein Spiel ist. Die "Kings of the Hill" fühlen sich stark in ihren starken Maschinen, mit deren Hilfe sie Düne um Düne erkämpfen und in Besitz nehmen. Männlichkeitsideale, die israelische Politik und eine Militarisierung bis in die Freizeit werden mit einem Mal sichtbar gemacht.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Yael Bartana
09.07 - 09.08.2003

kerstin engholm galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 3
Tel: +43 1 585 73 37, Fax: +43 1 585 73 38
Email: office@kerstinengholm.com
http://www.kerstinengholm.com
Öffnungszeiten: geschlossen


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