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Milica Tomic - Cinema School and War of Independence: Wir Kinder der Partisanen

Im ehemaligen Bücherlager der Buchhandlung Reichmann das von Mirjam Charim als experimentielles Labor, als „Charim Events“, geführt wird, sind jüngste Arbeiten der serbischen Künstlerin Milica Tomic zu sehen. Die Künstlerin, die sich seit ihren Anfängen mit politischen, sozialen und moralischen Ursachen des Krieges beschäftigt, zeigt hier ihre Auseinandersetzung mit dem jugoslawischen Filmmachers Stevan Labudovic. Zwei Jahre lang studierte Tomic, das fotografische und filmische Oeuvre ihres Landsmanns und zog daraus folgende Schlüsse. An der Wand des Ausstellungsraum ist eine Wandzeitung aufgezogen, die Kampfverbände im Marsch, beim Training und Soldaten mit der Kamera in der Hand zeigen. Es sind dies Kämpfer der Front Liberation National die gegen die französischen Kolonialherren im algerischen Unabhängigkeitskrieg kämpften. 1959 wurde Stevan Labudovic vom Central Film News Studio, Yugoslavia nach Algerien geschickt um die Moral der Truppe zu stärken und eine eigene Bildsprache der Unabhängigkeitskämpfer zu entwickeln. Die Fotografien der Aufständischen sollten sich gegen die Übermacht der französischen Bilder behaupten. Labudovic gründete in Algerien die „Cinema School and War of Independence“ und war selber in die Kämpfe mit Kamera und Gewehr verwickelt. Der spätere Fotograf hatte bereits als Jugendlicher mit 17 Jahren den Kampf der Partisanen in den Wäldern Jugoslawien gegen die Nationalsozialisten erlebt und mittels Wandzeitung dokumentiert. Milica Tomic hat nun diesen Gedanken und seine Umsetzung aufgenommen und gibt uns die über fünfzig Jahre alten Bilder mit dem didaktischen Anspruch des Sozialismus wieder. Texte zur Unterstützung von Titos Jugoslawien für Befreiungsbewegungen erläutern das Gesehene. Sie tut dies aus dem Kalkül heraus, dass kürzlich vergangenes oder länger zurückliegendes von der Bevölkerung Jugoslawiens und auch von der Welt verdrängt wird. Diesen Gedanken der Bewusstwerdung unterstreicht sie auch mit ihrer fotografischen Arbeit „Omarska“, das ein Ort und Name eines ehemaligen KZ im Jugoslawien ist. Sie zeigte Fotos als Omarska ein Bergwerk war, ein KZ, wieder ein Bergwerk und schließlich als Kulisse für Kriegsfilme diente. Dieses lapidare Erzählen über vergangene Geschehnisse und Zeiten zeichnet Tomics Arbeit aus. Dabei geht es ihr aber auch um das Offenlegen von vergangenen Strategien, die streckenweise verbrecherisch, manchmal als solche aber auch sehr erfolgreich waren. Ein kleiner Rest war idealistisch und wenn es gelang, so kam man ohne Verbrechen ans Ziel. Nicht zuletzt klingt in dem Arbeiten von Milica Tomic auch eine gewisse Wehmut an. Eine Wehmut über das verlorene Gemeinsame des jugoslawischen Staates. Dass der Kampf der Roten Partisanen gegen die braune Übermacht nicht nur kollektiv identitätsstiftend, sondern auch ein revolutionärer Krieg gegen den „bösen Krieg“ war und damit auch totalitäre Züge hatte, hat schon Branimir Stojanovic in einem Essay nachgewiesen. Tomic verweist hier bei Charim auf einen weiteren Mythos, nämlich den des algerischen Befreiungskrieges. Eines Krieges den Jugoslawien unterstütze. Und zwar mit einer Strategie die das „heldische“ der Befreiungskämpfer unterstrich. In Summe ist diese Wandinstallation gemeinsam mit gezeigten Kurzfilmen ein interessant arrangiertes Stück Zeitgeschichte einer untergegangen Welt.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Milica Tomic - Cinema School and War of Independence
11.03 - 07.05.2016

Charim Schleifmühlgasse
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1
Tel: + 43 1 512 09 15
Email: charim@charimgalerie.at
http://www.charimgalerie.at
Öffnungszeiten: Mittwoch - Freitag: 14 - 18 Uhr, Samstag: 12 - 14 Uhr


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