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Contemporary Istanbul 2015: Ruhiges Fahrwasser

Die Contemporary Istanbul hat Oberwasser. Im Wettstreit mit der von einem britischen Konzern veranstalteten Art International im September kann CI in diesem Jahr punkten. Mit Johann König und Daniel Marzona aus Berlin wurden zwei renommierte internationale Galerien gewonnen. Zudem wartet Gründer, Eigentümer und Impresario Ali Güreli mit Erfolgszahlen auf: "Letztes Jahr wurden Kunstwerke im Wert von 96 Mio. Euro ausgestellt, von denen 65 Prozent verkauft wurden." Das erstaunt etwas, da ansonsten keine der großen Messen mit solch präzisen Zahlen dienen kann. Zudem ist seine Messe laut Artnews die drittgrößte Kunstmesse nach Besuchern. 80.000 sollen es dieses Jahr werden. Wo die bei einer Messe mit rund 100 Ausstellern und entsprechender Fläche unterkommen, ist allerdings rätselhaft. Die Chancen auf einen erfolgreichen Verlauf stehen jedenfalls gut, die politische Lage hat sich mit dem Sieg der AKP bei den Parlamentswahlen deutlich beruhigt. Auch das Ausland schlägt seit einiger Zeit versöhnlichere Töne an, schließlich wären alle ganz froh, wenn die geschätzt zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei blieben. Zunächst herrscht also Ruhe im Land und eine gewisse Erleichterung. Die Wirtschaft und damit der Kunstmarkt können vorerst aufatmen. Das war es allerdings auch schon fast auf der Habenseite. Dazu kommen noch Stephan Koal und Xavier Laboulenne als Neuzugänge aus Berlin oder Lelong aus Paris und New York und Bernard Ceysson aus Luxemburg; mindestens großzügige Rabatte auf die Standmieten haben einigen die Teilnahme erleichtert. Außerdem sind die meisten der wichtigen Istanbuler Galerien wie Rampa, Dirimart, X-Ist, Zilberman und The Empire Project dabei. Spätestens danach wird es bunt. Für die einheimischen und wahrscheinlich auch die italienischen Aussteller mit ihrem farbenfrohen, aber im Kunstkontext bedeutungslosen Programm dürfte die Messe wie immer ein Umsatzgarant sein. Allerdings müssen sie sich ebenfalls auf das Backen kleinerer Brötchen einstellen. "Es ist jetzt alles eine Stufe niedriger gehängt", erklärt der einheimische Galerist Kerimcan Güleryüz von The Empire Project, eine der wenigen Galerien, die noch offensichtlich politische Kunst zeigt - auch das wohl eine Auswirkung der veränderten Situation. "Spontankäufe scheinen jetzt bei 5.000 Euro zu enden. Bei bis zu 10.000 Euro erbitten sich die Sammler noch etwas Bedenkzeit, jenseits davon wollen sie erst noch mit ihrer Frau oder ihrem Mann sprechen. Oder mit ihrem Art Consultant. Das ist eine relativ neue Entwicklung." Die Sammler selbst - zumindest die international aufgestellten - hätten sich nach der Eröffnung nämlich schon auf den Weg zur Paris Photo gemacht, deren Attraktivität seit Jahren wächst. Das größte Pfund, mit dem Güreli wuchern kann, ist seine hervorragende Vernetzung in Wirtschaft und Politik. Der Ausgang der Wahlen hat ihm da nicht geschadet, wie er deutlich macht: "Unmittelbar nach der Messe wird die Regierungsbildung abgeschlossen sein. Wir werden uns mit dreien ihrer Minister treffen, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie man den Kunstmarkt entwickeln und internationalisieren kann. Wir brauchen neue Regeln, um Kunst zu zeigen und zu exportieren. Es geht dabei natürlich auch um Steuern. Wir wollen erreichen, dass die Mehrwertsteuer auf Kunst von 18 auf 6 Prozent gesenkt wird. Aber vor allem wird es darum gehen, Unternehmenssammlungen zu fördern. Bisher können Kunstkäufe von Unternehmen nicht steuerlich geltend gemacht werden. Das muss sich ändern." Weiterhin erzählt er, dass es mittlerweile praktisch kein größeres Immobilienprojekt mehr ohne die Einbindung von Kunst in irgendeiner Form gebe. Was er nicht erzählt, ist, dass sein Berater Hasan Bülent Kahraman, eine Art Grauer Eminenz der türkischen Kulturszene, einer dieser neuen Minister sein könnte, wenn man Gerüchten Glauben schenken darf. Ob das alles der Internationalisierung förderlich ist, wie man sie im westlichen Kunstbetrieb für wünschenswert hält, mag dahingestellt sein. Solange CI die Abstimmung mit den Füßen gewinnt und sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, dürfte sich Güreli in seinem Kurs bestätigt sehen. So zufrieden ist er mit seinem Werk, dass er angekündigt hat, ab Mai nächsten Jahres noch eine weitere Messe namens Step aufzulegen, die in einem anderen Format ganz jungen Galerien, die sich eine herkömmliche Messeteilnahme nicht leisten können, eine Plattform bieten soll.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Contemporary Istanbul 2015
12 - 15.11.2015

Contemporary Istanbul
Istanbul, Kasimpasa, Halic Camii Kebir Mahallesi Taskizak, Tersane Cd. No:5
Tel: +90 212 244 7171 (117), Fax: +90 212 244 7181
Email: info@contemporaryistanbul.com
https://contemporaryistanbul.com/


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