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Brassaï: Licht und Schatten

Paris bei Nacht! Das klingt nach Verruchtheit, außergewöhnlichen Begegnungen und Bohéme. Dass wir uns diese Phantasien nicht nur ausmalen dürfen, sondern sie als Fotos betrachten können, verdanken wir Gyula Halász (1899-1984) alias Brassaï. Denn er war es, der dem künstlichen Licht und den Schatten der Pariser Nacht in den 1930ern poetische und immer noch gültige Bilder abgewann. Viele davon zeigen eine Stadt ohne Bewohner. Ob Notre Dame oder Moulin Rouge ? die Menschenleere der Aufnahmen ließ wohl schon damals die Motive dem Treiben des Lebens entrückt erscheinen. Auf anderen Fotos sieht man, was sonst die Nacht verbarg: Liebespaare küssen einander, Lumpensammler wühlen in Mülltonnen, Schöne warten auf Freier und Gauner auf ihre Opfer. Dass solche Szenen gestellt waren, merkt man an beinahe filmreifen Inszenierungen wie jene eines Freudenmädchens am Laternenpfahl, das das Bein mit der Laufmasche etwas zu keck vorschiebt, während ihm die Zigarette fast aus dem Mundwinkel kippt. Das vielleicht meistpublizierte Foto ist ein Porträt der Hure Bijou, einer alten, stark geschminkten Dame mit Hut und sehr viel Schmuck. Das Gekonnte an dem Bild ist, dass es dieses Fleisch gewordene Museum eines Lebens einfach nur zeigt: Brassaï fotografierte mit Sinn für die Magie des Augenblicks - und mit sehr viel Feingefühl. In der Albertina sind derzeit Paris-bei-Nacht-Fotos zu sehen, aber auch Momentaufnahmen aus Paris bei Tag, Fotos von Graffiti, die Brassaï wegen ihrer Ähnlichkeit mit Höhlenbildern schätzte, Fotos von Akttorsi und von Alltagsgegenständen als "unwillkürliche Skulpturen" für die surrealistische Zeitschrift "Minotaure", außerdem barock überzeichnete Aktstudien und archaische kleine Skulpturen, die Brassaï gerne aus gefundenen Kieseln schnitzte. Leider nicht zu sehen sind die zahlreichen Fotodokumentationen über Künstler wie Picasso oder Maillol in ihren Ateliers und auch nur recht wenig von der lichtvollen nächtlichen Ausgelassenheit der Pariser Bohéme. Es ist, als liebte man Brassaï in der Albertina eher ernsthaft und verschattet. Ein bisschen schade ist das schon.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Brassaï
21.06 - 21.09.2003

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


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