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Rebellion an der Seine

Aaaahhh Paris!!! Keine Kunstmesse außer der Art Basel Miami Beach hat so viele Satelliten wie die Fiac, die obendrein ihren eigenen Ableger betreibt. Die Qualität dieser Nebenmessen ist zumeist jedoch ebenso fragwürdig wie in Florida. Die Slick am Seineufer und die Art Elysee entlang den Champs Elysee halten sich hartnäckig, ohne dass sie im Laufe der Jahre attraktiver geworden wären. Die Art Elysee mit ihren zum Teil immerhin gediegenen französischen Helden der 50er und 60er Jahre hat das, was sie für Design und Urban Art hält, sogar in ein weiteres Zelt auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter dem hochtrabenden Titel "8e Avenue" ausgelagert. Höhepunkte der Veranstaltung sind eine Banksy-Graphik und ein von Keith Haring übermalter Plakatabriss. Wer geglaubt hat, die Scope stellte die Grenze nach unten dar, wird hier eines Besseren belehrt. Die neue Asia Now im Espace Pierre Cardin schafft es, mit 18 Ausstellern und Matthais Arndt (Berlin/Singapur) als Flaggschiff die gesamte Bandbreite asiatischer Kunst abzubilden, zumindest qualitativ. Dieses Jahr ist dennoch alles anders. Mit Paris Internationale hat sich eine Truppe junger Galeristen zusammengetan, die in einem Akt der Rebellion ein eigenes Format auf die Beine gestellt haben. Die mit dem Ausruf "Aaaahhh Paris!!!" zunächst auf Instagram beworbene Initiative ähnelt der Sunday Art Fair in London, hat aber für größeren Ärger gesorgt. Antoine Levi, Sultana, Crevecoeur, und High Art (alle Paris) haben zusammen mit Gregor Staiger aus Zürich ein altes Stadtpalais aufgetan und über den Sommer 36 weitere Gleichgesinnte eingeladen, um das ramponierte Gebäude zu bespielen. "Eigentlich war es eine spontane Idee, Leute zu versammeln, die die gleichen Ideen teilen", erklärt Marie Lusa von der Galerie Gregor Staiger. "Paris fehlte eine spannende junge Messe, und wir wollten ein Format, dass den White Cube und den Messestand hinter sich lässt. Die Gruppe hat sich sehr schnell zusammengefunden. Wir haben uns im Juli zusammengesetzt und dann ging es ganz schnell und es stellte sich heraus, dass wir alle irgendwie seit langem die gleiche Idee mit uns herumtragen." Ein Argument für die Veranstaltung ist der Preis. "Die Teilnahme kostet 4.000 Euro", so Lus. "Das war sehr wichtig für uns, um Galerien herzuholen, für die die Fiac zu teuer ist. Für viele Teilnehmer ist es das erste Mal in Paris und einige Galerien gibt es noch kein Jahr. Weil es sehr kurzfristig war, haben wir natürlich Leute gefragt, die wir kennen." Solch eine Veranstaltung findet allerdings nicht im luftleeren Raum statt und natürlich geht es nicht nur ums Geld. Ein Hinweis, worum es auch geht, findet sich in Lusas Aussage: "Wir bieten eine vollkommen andere Qualität hinsichtlich Preis, Location und Qualität der Aussteller. Wir haben uns einfach nicht wohl gefühlt mit den anderen Messen." "Andere Messen" meint unzweifelhaft die Officielle, die Zweitmesse der Fiac. Für die Internationalisten bietet diese anscheinend nicht das passende Umfeld. Diplomatisch in der Rede, wie man in Paris nun einmal ist, verweigert die Pressesprecherin der Paris Internationale explizt die Beantwortung der Qualitätsfrage. Die Zürcher Galeristin ist da weniger zimperlich: "Natürlich geht es auch um unsere subjektiven Kriterien von Qualität. Aber in der Kunstwelt sollte jeder Standpunkt erlaubt sein. Wir haben bei der Eröffnung auch viel Dankbarkeit erlebt, dass jemand hier etwas macht, dass die Stadt auf eine Art wiedererweckt." Die Fiac ist verständlicherweise not amused über die Aktion. Nehmen an der Paris Internationale doch gerade die jungen, hippen Galerien wie Joseph Tang, Antoine Levi, Praz-Delavallade (alle Paris) oder Lulu (Mexiko-Stadt) und Sabot (Cluj) teil, die der Officielle Glanz verleihen würden. Deren Teilnehmerfeld besteht aus einer recht heterogenen Mischung. Einerseits sind da die frankophonen Aussteller, die man aus politischen Gründen meint dabei haben zu müssen, aber nicht unbedingt auf der Fiac haben möchte, andererseits junge internationale Galerien mit anspruchsvollem Programm wie ASPN aus Leipzig oder Soy Capitan aus Berlin, die sich einen Stand mit Bruce Haines aus London teilt. Und weil Reed Expositions als Ausrichter Quadratmeter verkaufen will, finden sich dazwischen einige Teilnehmer, auf die man als Besucher gut verzichten könnte. Es sind wohl gerade die Pariser Galerien auf der Fiac, mit der sich die Renegaten nicht gemein machen wollen und die dem Image der gesamten Veranstaltung schaden. Hinzu kommt der exorbitante Standpreis von über 400 Euro pro Quadratmeter, der sich mit junger Kunst nur ganz schwer wieder einspielen lässt. Die abseitige Lage am anderen Ende der Stadt und der auch im zweiten Jahr mangelhaft funktionierende Boots-Shuttle steigern die Attraktivität der Messe nicht unbedingt. Dabei ist die Messe besser als ihr Ruf. Wer einmal den Weg dorthin gefunden hat, wird durch ein zwar gemischtes, aber absolut respektables Angebot belohnt. Doch wenn Reed nicht in der Lage ist, für ihre jüngere Klientel angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen, wird die Officielle der Fiac immer wie ein Mühlstein um den Hals hängen und im Zweifelsfall die Muttermesse mit hinabziehen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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