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transducing the city, elektromagnetische topografien: Elektromagnetische Topographien der Stadt

Am Freitag Abend, den 16.10., konnte man einen kleinen Trupp von Leuten durch die Wiener Innenstadt streifen sehen. Sie trugen Kopfhörer, sammelten sich an gewissen Plätzen wie Eingängen zu Drogerien, Parfümerien, Geschäftslokalen, besuchten eine Bankfiliale, hielten ihre Köpfe an die Bankomaten, an die automatischen Türen, Leucht- und Schaltkästen, staunten, erschraken, lachten und nickten sich belustigt zu. Es war ein Electrical Walk als Einführung zur Ausstellung Transducing the city im Heiligenkreuzer Hof, die anschließend eröffnet wurde. Die Kopfhörer sind mit eigens entwickeltem Sensor, Verstärker und Lautsprecher ausgestattet, sie transformieren elektromagnetische Wellen der Umwelt und machen sie hörbar. Die Geräusche fallen sehr unterschiedlich aus. Mal ist ein Surren, ein Pochen, ein Brummen, Rhythmen oder sogar ein melodischer Akkord zu vernehmen. Eine erheiternde Tonfolge erzeugt ein Neonröhren¬–Pizzaiolo wenn er seine rote Neon–Pizza durch die Luft wirbelt. – Christina Kubisch, die Entwicklerin der Kopfhörer, nennt Wien eine besonders musikalische Stadt. Christina Kubisch, als Klangkünstlerin international etabliert, wurde von der Leiterin der Abteilung Digitale Kunst an der Angewandten Ruth Schnell eingeladen, um an der Universität einen Workshop mit Studenten zu veranstalten. Die Technologie ihrer Integrationskopfhörer und die akustische Erfahrung der allgegenwärtigen elektromagnetischen Felder sollten der Ausgangspunkt für weitere künstlerische Umsetzungen von Wiens elektromagnetischer Topographie sein. Sieben solche Projekte sehr individueller Ausprägung werden nun im Heiligenkreuzer Hof präsentiert. Alexander Kasse konzentrierte sich in vier ausgewählten Beispielen, Just found objects, auf die graphische Wellenform vorgefundener Klänge und kombinierte diese in fragilen Drahtstrukturen mit resynthetisierten Tönen, welche als Klangwolke die Objekte umgeben. Anna Watzinger streute auf vier Lautsprechern unterschiedliche Materialien auf und machte die Vibrationen der übermittelten elektromagnetisch verursachten Klänge sichtbar: Wasser, Salz, Chilipulver und Currypulver werden zu Tonmaterial, so der Titel der poetischen Arbeit. In einem anderen Exponat, Eine Melodie aufgehängt zwischen zwei Punkten, hat sie den „melodischen“ Verlauf der U-Bahnlinie U2 mit seinen transformierten Tönen in den einzelnen Stationen aufgenommen; eine Melodie, „komponiert“ von der U-Bahn, ist das Resultat. Magdalena Salner und Tobias Zarfl setzten die Tänzerin Gioia Osthoff mit Induktionskopfhörern an partikularen Orten urbanen Lebens den elektromagnetischen Strömen aus – zwischen fahrenden Zügen oder auf einer Brücke über den fahrenden Zügen. Dort ließen sie die Tänzerin spontan auf die empfangenen Klänge reagieren und filmten das Video Noise rails – eine Schnittetüde. Bild und Ton wurden bearbeitet und eine Verdichtung des performativen Tanzes konstruiert, dessen expressive Bewegungen die außerordentlichen Klänge und damit deren ungesehene Ursache in ihrer aggressiven Dimension gegen unseren Körper zu gesteigerter Wirkung bringen. Ein großes LED Panel fordert die BesucherInnen auf, den angebotenen Kopfhörer aufzusetzen und sich vor der Lichtfläche zu bewegen. Darauf reagiert das Panel mit modifizierten Farben und Intensitäten der LEDs sowie mit verändertem Sound. In der Interaktivität mit dieser Arbeit Violent Fried Diving von Bianka Oravecz, Enrico Zago und Bert Wagner stellen sich nicht nur unterhaltsame, sondern auch sinnliche Qualitäten ein. Eindrucksvoll haben David Osthoff und Stefan Herbert die weitreichende Auswirkung von elektromagnetischen Feldern in dem Video Hidden Noise und zugehörigen Stills (The Roof Lighting Project von David Osthoff) eingefangen, deren Komplexität unmittelbar und erschreckend ins Bewusstsein dringt. Angeregt von Christina Kubischs Umsetzung ins Akustische realisierten sie eine Transformation der Strömungen ins Visuelle durch die Programmierung von LEDs. Repräsentative Architekturen wurden mit einem solchem LED Stab abgegangen und die reaktiven Lichterscheinungen in langzeitbelichteten Bildern und Videos festgehalten. Das Unternehmen wurde zum Teil in halsbrecherischen Aktionen realisiert um die vom körperlichen Vermögen (des Kameramanns wie des LED Stab-Trägers) bedingten Ausmaße der erzeugten Lichtphänomene möglichst weit zu treiben. In der Visualisierung durchziehen signifikante Lichtzeichnungen den urbanen Umraum, enorme Lichtarchitekturen besetzen parasitär als parallele Realitäten die stehenden Gebäude und Dächer. Die klare Ästhetik der Lichterscheinungen, die in kalter formaler Souveränität das wohlbekannte historische Wien durchsetzt, vergegenwärtigt die Überlegenheit der unterschwelligen Strömungen und Felder. Das Wissen, dass die tatsächliche Präsenz der unaufhaltsam anwachsenden elektromagnetischen Felder im Video wie in der Fotografie nur fragmentarisch aufgedeckt werden kann, reflektiert die ungeheuerliche Potenz der prekären, aber zur Datentransmission auch unausweichlichen Situation. Transducing the city entlarvt in vielgestaltigen künstlerischen Erforschungen die Durchdringung unseres Umraums mit elektronischen Strömungen, Wellen und Feldern. Wien wird als elektromagnetische Topographie repräsentiert und erfahrbar gemacht. Vor allem auch dadurch, da die Ausstellung ergänzend Christina Kubischs phänomenale Kopfhörer für einen Spaziergang durch die Resonanzen der Wiener elektromagnetischen Felder angeboten werden – und da kommen dann auch vergnügliche Aspekte hinzu, wenngleich das Thema ganz und gar nicht spaßig ist.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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transducing the city, elektromagnetische topografien
19 - 30.10.2015

Universitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof Wien
1010 Wien, Schönlaterngasse 5 oder Grashofgasse 3
Tel: 71133-2160, Fax: +43 1 711 33-6309
Email: pr@uni-ak.ac.at
http://www.dieangewandte.at
Öffnungszeiten: Mi--Sa 14-18 Uhr


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