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Inhalt, nein danke?

Das Berliner Künstlerkollektiv „Zentrum für politische Schönheit“ beklagte jüngst in einem Interview, dass auf Paneldiskussionen mit ihnen immer dann „betretenes Schweigen“ einsetze, wenn sie engagiert feststellen, dass es ihnen „um Inhalte gehe“. Inhalte, vor allem explizit politische, sind derzeit in der Kunstwelt eben kaum gefragt, vor allem nicht in der erfolgreichen institutionellen Kunst. Die im Moment wohl gefragteste deutschsprachige Künstlerin Alicia Kwade ist mit ihren neominimalistischen Skulpturen ein gutes schlechtes Beispiel hierfür, denn diese Artefakte sind einerseits ostentativ kunsthistorisch abgesichert, andererseits überaus smart und dekorativ – und selbstverständlich bar jeden Inhalts. Dieser Umstand ist umso problematischer, als es für künstlerische Strategien wie diese auch den theoretischen, scheinbar wissenschaftlichen Background gibt: das „ästhetische Regime“ der Marke Jacques Ranciere. Mit diesem Terminus definiert Ranciere, eben darum einer der meist zitierten Theoretiker dieser Tage, die Kunst als eine spezifische Erfahrungsform, die vor allem charakterisiert ist durch die „Macht der Unbestimmtheit …, die im Herzen des ästhetischen Affekts wohnt“. Diese Unbestimmtheit sorgt dann dafür, das „Betteljungen, gemalt von Murillo, so schön sind wie olympische Götter“. So läuft diese Unbestimmtheit auf eine hierarchiefreie Gleichheit hinaus, der es gelingen soll „die Ordnung der Wahrnehmung“ zu unterbrechen. Ja, so wünschen sich nicht nur Bürgerskinder die Kunst: hübsch unbestimmt, vielleicht deswegen gar poetisch, vor allem aber ohne dezidierten Inhalt, dafür mit besonderer sinnlicher Erfahrung, die dann angeblich irgendwann politisch wird, weil sie, der Kunstlehrer lässt grüßen, die Wahrnehmung verändert. Die „Betteljungen“ aber haben davon bis heute noch nichts verspürt, z. B. der Inhaltlichkeit des „Zentrums für politische Schönheit“ aber gelingt es immer wieder zumindest für einen Augenblick lang die real-existierende Ordnung der Politik tatsächlich zu unterbrechen.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
wo er recht hat hat er recht
peter haas | 08.11.2015 01:57 | antworten
und der Kunstlehrer läßt grüßen

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