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Besucherandrang per Post

Geht es jetzt wieder los? Die Frieze London brummt vor Besuchern am Eröffnungstag. "Es waren viele gute, kenntnisreiche Leute hier, denen Kunst am Herzen liegt," erklärt Georg Kargl aus Wien. Über Verkäufe möchte er allerdings ungern sprechen, weil er auf diese Art von Aufmerksamkeit keinen Wert legt. Andere sind da weniger gschamig. Die PR-Agentur einer großen Londoner Galerie, posaunt keine fünf Stunden nach Einlass der wichtigsten VIPs per Pressemitteilung erste Verkäufe bis in den niedrigen sechsstelligen Bereich hinaus. Dabei sah es zunächst gar nicht so gut aus. Das Jahr ist für zeitgenössische Galerien bisher nicht gerade berauschend verlaufen. Auch in den ersten Stunden der Messe hätten viele Aussteller lange Gesichter gezogen, inklusive ihrer selbst, erzählt eine Berliner Galeristin. Später am Nachmittag sei dann aber der Knoten geplatzt. Das scheint nicht nur bei ihr so gegangen zu sein. Viele GaleristInnen wirken zufrieden. Bekanntlich ist immer noch eine große Menge an Liquidität im Markt. Die sucht vielleicht sogar nach neuen Anlagemöglichkeiten nach der Implosion der Flip Art bei den New Yorker Auktionen vorletzte Woche. Es sind aber schon erste Versuche zu beobachten, die Protagonisten und Opfer des letzten Hypes wieder dem Markt zuzuführen. Bei White Cube sind Werke zweier neuen Serien von Damien Hirst zu sehen, die eigentlich aussehen wie das Zeug aus den frühen 2000ern, das inzwischen praktisch unverkäuflich ist. Die neuen Arbeiten seien hingegen verkauft, beteuert die Galerie, zu Preisen von 125.000 Pfund für das Kleinformat und 750.000 Pfund für ein wandfüllendes Gemälde von steinerweichender Banalität. Contemporary Fine Arts aus Berlin testet hingegen den Markt von der anderen Seite und hängt ein älteres knapp fünf Quadratmeter großes Streifenbild von Anselm Reyle an die Innenseite der Standaußenwand. 90.000 Euro netto lautet der Ausruf der neuen Bescheidenheit. Vorne prangt allerdings ein neues Großformat von Daniel Richter, der seine Schaffenskrise überwunden hat. Eine Viertelmillion Euro gilt der Galerie noch als vorsichtiges Abtasten des richtigen Preisniveaus. Wohl dem, der in den USA beliebte oder von dort oder aus Großbritannien stammende Künstler auf der Liste hat. Croy Nielsen, ursprüglich Mitorganisatoren der Sunday Art Fair und gerade erst zum zweiten Mal dabei, präsentieren mit Mitchell Syrop einen Künstler aus Los Angeles, der schon in den 90ern aktiv war und haben damit einen bisher zufriedenstellenden Erfolg in London. Mit extravaganteren Provenienzen scheint es auf der Frieze eher schwierig zu sein. konstatiert jedenfalls eine Berliner Galeristin, die nicht an der Messe teilnimmt und mit ihrem intellektuellen Konzept-Programm schlicht nicht auf derartige Umsätze hoffen kann wie die Händler der in London gefragten plakativeren Ware. Auf der Frieze Masters macht man hingegen kaum einen Hehl daraus, dass nicht alle Marktsegmente gut laufen. Das ist auch zu offensichtlich. Das eigentliche Aushängeschild der Alten Meister fluktuiert beträchtlich; die Abteilung Post War ist mittlerweile optisch stark überlegen. Ein New Yorker Händler überlegt sogar halblaut, ob sich die Anreise wegen einer schwarzen Null überhaupt noch lohne. Dabei sollte doch gerade der Masters-Teil der Frieze der Hoffnungsträger sein. Inhaltlich ist hier auch die interessanteste Abteilung angesiedelt. Die Abteilung „Spotlight“ mit noch nicht gehypten Positionen vergangener Jahrzehnte wartet tatsächlich in jeder Ausgabe mit Entdeckungen auf. Zumindest ist Hyun-Ki Park bei der Hyundai Gallery aus Seoul deutlich preiswerter als sein ungleich berühmterer Kollege Nam June Paik und seine Fernseher sind irgendwie auch anders. Wanda Pimentels abstrakte Malereien aus den 60er Jahren bei Anita Schwartz aus Rio de Janeiro sind sicher eine Entdeckung. Und wann hat man schon einmal einen ganzen Messestand mit Fotografien von Boris Mikhailov aus den 60er und 70er Jahren (allerdings in rezenten Abzügen) gesehen? So erbauend diese Abteilung sein mag, so fragwürdig erscheinen die "Collections", die Sir Norman Rosenthal zusammengestellt hat. Da sind unter anderem die privat gesammelten antiken Angelhaken des Münchener Galeristen Daniel Blau neben angerissenen Originalabzügen von David Bailey mit Prominenten zu sehen, letztere zum Preis von 4.300 Pfund das Stück. Die Messe ist sehr offensichtlich auf der Suche nach passenden Formaten, um dem Markt nicht nur hinterherzulaufen. Dessen Launen haben die Veranstalter durchaus im Blick. Für den im Vergleich zum vergangenen Jahr gestiegenen Besucherandrang zur Vernissage hat Frieze-Chefin Victoria Siddall eine einleuchtende Erklärung: Man habe einfach mehr Einladungen verschickt. -- Frieze London Frieze Masters 14. – 17. Oktober 2015 Regent’s Park, London friezelondon.com friezemasters.com
Mehr Texte von Stefan Kobel

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