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Im Zeichen der Skulptur

Das Skulpturenprojekt Viertel Zwei in Wien Auch Kunst im öffentlichen Raum kann intime Situationen herstellen, kann abseits des tagtäglichen Einerlei überraschen und einladen, inne zu halten. Vor allem kann sie nach und nach entdeckt und erschlossen werden. Im VIERTEL ZWEI im 2. Bezirk Wiens jedenfalls ist das so; in einem immer noch relativ neuen Stadtgebiet zwischen Messe Wien, WU-Campus und grünem Prater, wo das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten, von Büroalltag, Freizeit und temporärem Aufenthalt im Hotel auf architektonisch hohem Niveau neu definiert wurde. Als Skulpturenprojekt in einer begrünten, urbanen Landschaft steht Kunst im Außenraum hier jedoch in einem nahezu asynchronen Verhältnis zum politischen emanzipatorisch aufgeladenen Diskurs um die Möglichkeiten, über künstlerische Interventionen Öffentlichkeit herzustellen. Miwon Kwon oder Suzanne Lacy steuerten dazu wesentliche theoretische Inputs bei. Angesichts der zunehmenden Unterordnung von Stadtraum unter die Interessen von Corporates und Multis und des Vorrückens von Kommerz und Event bleibt die Frage nach alternativen, nach partizipatorischen Modellen selbstverständlich virulent. Allerdings manifestieren sich unterschiedliche Kunstbegriffe in einem produktiven Nebeneinander; und zwar berechtigt. Es geht ja um eine kritische Praxis und nicht um Ideologie. Man kann davon ausgehen, dass die beiden Kuratorinnen und Beraterinnen, Susanne Hofmann-Ostenhoff und Galeristin Gabriele Senn, dies mitbedacht haben, als sie begannen das »Skulpturenprojekt«, gemeinsam mit dem investierenden Stadtraumentwickler und Kunstsammler Michael Griesmayr zu konzipieren. Sensible Einschreibungen Hier präsente KünstlerInnen wie Marco Lulic oder Tom Burr reflektieren in ihrer Arbeit grundsätzlich soziokulturelle Bezüge. Doch nicht plakativ. Die Werke sind sensibel in ihre Umgebung eingeschrieben. Geradezu magisch Tom Burrs »Bronzed Vanity« (2008): ein Schminktisch aus Bronze mit bräunlicher Patina auf einem Betonsockel. Rundherum die spiegelnde Wasseroberfläche einer kleinen Teichanlage, hügeliges Grün dahinter. Und eine reflektierende Stahl-Glas Fassade. Der Spiegel auf dem kleinen Tischchen jedoch ist blind, bloß Teil des rätselhaft dastehenden Objekts. Burr, der häufig Strukturen genderspezifischer Fixierungen thematisiert, stellt auch hier Fragen nach der Identität. Das Leben ist leere Fiktion, und Spiegel leisten ihren Beitrag zur Schaffung einer illusionären Welt. Ganz anders ein gelb strahlendes Objekt von Barbara Mungengast; bereits aus der Ferne sichtbar, doch in unmittelbarer Nähe zum Büro- und Wohngebäude der Familie Griesmayr. Ein adaptierter Rohziegel Industrie- oder Manufaktur-Bau. Die starke Eigensprachlichkeit der Fassade, die den Hintergrund bildet, lässt die Entscheidung für das sehr klare, glatte Objekt einer Künstlerin, die Formen der Abstraktion reaktiviert, plausibel erscheinen. Offene Fragen hinterlässt schließlich das 4,5m breite Schriftbild Skulptur von Marko Lulic »Total Living«. Eine Zeitschriftenreklame für Aluminium aus dem Kriegsjahr 1942 zitiert sie. Letztlich konterkariert das Objekt als Pseudo-Werbe-Logo die hier verwirklichte Vision eines tendenziell vollkommenen urbanen Lebens inmitten der realen Präsenz von Multis wie UNILEVER, Johnson&Johnson oder Sandoz Novartis. Dann schon lieber einen Trinken gehen! Mit Martin Kippenberger. Als er im Burgenland lebte, signalisierte eine gehisste Fahne in Jennersdorf, wenn er ins Wirtshaus eines Hotels, ins Raffel eingekehrt war. Jetzt erinnert diese hier an den 1997 verstorbenen Künstler. Auch Elfie Semotan, die mit Kippenberger verheiratet war, ist vertreten. Überraschend, dass die site spezific Foto-Installation beim Eingang des Gebäudes von ihr stammt. Aber Stillleben sind eines ihrer Themen. Auf dieser Aufnahme von über die Dachkante hinaus geschichtete Paletten. Die Werke von Hans Weigand und Stephanie Taylor wären noch zu erwähnen. Auch die Initiative von Henke und Schreyeck Architekten. Direkt bei dem in ihrem Studio entworfenen Bürohaus Hoch Zwei ermöglichten sie ein Werk von Lois und Franziska Weinberger. Fortsetzung als Public Private Partnership Es wurde wohlüberlegt und behutsam entschieden, über historisch überholte Konzepte der Skulptur im öffentlichen Raum hinausgedacht, während public art hier zugleich den Charakter einer ganz speziellen site-specific Freiluftausstellung hat. Wie im Fall der Hasen-Skulptur »Copper Hopper« (2014) wurden Werk und Landschaftssituation aufeinander abgestimmt. Dass die Realisierung dieser Vision fast zehn Jahre brauchte, zeigt, dass Druck nicht überall angebracht ist. Angesichts der Hürden auf dem Weg zur Umsetzung war es aber notwendig, beharrlich zu bleiben. Immerhin hat der Beirat für »Kunst im öffentlichen Raum Wien« (heute KÖR) bereits 2005 VIERTEL ZWEI als eines seiner Schwerpunktthemen festgelegt und – im Dialogs mit der IC-Stadtentwicklung – 2006 eine Palette an Projektideen zur Umsetzung im Public Private Partnership generiert. Durch das Desinteresse der Kulturpolitik kam dieser Ansatz jedoch zum Erliegen. 2012 dann erhielt die Kunstinitiative €100 000.- Finanzierung von departure. Gemeinsam mit den Wiener Linien ging es weiter: 2014 wurde die Bemalung der Säulen unter der U2 Trasse (wie bereits vom ersten Beirat als Ort für Kunst angedacht) in Kooperation mit KÖR durch den brasilianischen Künstler SPETO realisiert; eine Hommage an die brasilianischen Brüder Leonardo, Orlando und Cláudio Villas Bôas, die als Verfechter indigener Rechte zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert worden sind. Mit der Idee der Ausweitung in Richtung »Viertel Zwei plus« ergeben sich Chancen für neue Projekte, die – entfernt von der unmittelbaren Umgebung des Bürogebäudes Griesmayrs – das Terrain des öffentlichen Kunstraums ausweiten. Durch die Auswahl der Positionen und präzise Arbeit vor Ort gelang es wirklich ziemlich überzeugend und gegenwartsadäquat an klassische Kunstbegriffe anzudocken. -- VIERTEL ZWEI Stella-Klein-Löw-Weg 8, A-1020 Wien www.skulpturenprojekt.at
Mehr Texte von Roland Schöny

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