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Paul McCarthy: N(Akt)

Paul McCarthy kontert die Strenge des Berliner Schinkel Pavillon mit ebender klaren Präzision, die auch für die Architektur des Hauses stilbildend ist. Und überrascht dabei nachhaltig, denn von den „blutrünstigen Materialschlachten“ früherer Jahre ist hier, auch wenn wiederum der menschliche Körper im Zentrum der Arbeit steht, nichts mehr zu sehen. Im Obergeschoss des Schinkel Pavillons liegt der Künstler als lebensgetreue Nachbildung in Silikon nackt aufgebahrt. Im realistischen Stile eines Ron Mueck wird mit gnadenloser Sachlichkeit der nicht mehr gerade junge Körper des inzwischen 70jährigen Paul McCarthy hier der Öffentlichkeit vorgestellt. Und doch läuft ein voyeuristischer Blick ins Leere, der Abguss zeigt sich nämlich weniger als individueller oder gar „intimer“ Körper, mehr schon als zeitloses Modell für einen in die Jahre gekommenen Mann. Aufgebahrt ist dieser Mann zudem auf einer alten Tür aus dem Chefbüro der Bank of America in Los Angeles. Diese Platzierung ist eben dadurch charakterisiert, dass sich keine biographische Beziehung zu dem auf ihr liegenden Figur herleiten lässt – auch so verweigert Paul McCarthy eine psychologisierende Interpretation seiner Arbeit „Horizontal“, 2012. Neben der Ganzkörper-Skulptur liegt zudem die hellblaue Gummiform „Rubber Jacket H, Horizontal“, 2012, der während des Arbeitsprozesses von „Horizontal“ quasi als Abfallprodukt entstanden ist. Diese Präsentation spätestens zeigt worum es dem Künstler hier geht: um die Modalitäten der Produktion von sowohl künstlerischer wie wissenschaftlicher Repräsentationen des menschlichen Körpers. Noch dezidierter steht dieser erkenntniskritische Aspekt im Untergeschoss des Gebäudes im Fokus, dort nämlich ist die skulpturale Videoinstallation „That Girl T.G Drawing Table – Drawing“, 2011 – 2013, zu sehen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht ein Holztisch, auf dem eine Graphitzeichnung mit zunächst verwirrend anmutenden Strichen aufgebracht ist. Sechs Videos, die an den Wänden um diesen Tischen herum auf Monitoren zu sehen sind, offenbaren wie diese Zeichnung entstanden ist: Paul McCarthy hat mit einem Graphitstift den Körper einer jungen Frau nachgezogen, die sich nach den Anweisungen des Künstlers auf dem Holztisch in unterschiedliche Positionen begibt, mal sitzt, mal liegt, mal steht. Diese so präsentierte Vorarbeit für eine mögliche spätere Ganzkörper-Skulptur stellt quasi ein Making-of für „Horizontal“ dar. Dass McCarthy dafür mit einer jungen „hübsch anzuschauenden“ Frau arbeitet, ist mehr als nur als eine „Altherren-Phantasie“, verweigert McCarthy doch in „That Girl T.G Drawing Table – Drawing“ bewusst das Zeigen der Frau als abgegossenes Modell, sie ist lediglich in den Videos zu sehen und dort meist als Fragment. Wieder läuft also jedweder voyeuristische Blick gezielt ins Leere – gut so!
Mehr Texte von Raimar Stange

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Paul McCarthy
12.09 - 22.11.2015

Schinkel Pavillon
10117 Berlin, Oberwallstraße 1
Tel: +49 30 208 86 444
Email: info@schinkelpavillon.de
http://www.schinkelpavillon.de
Öffnungszeiten: Fr - So 12:00 - 18:00


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Sparvorschlag!
keineAhnung | 10.10.2015 11:52 | antworten
In Zeiten angespannter Budgets kann ich dem Artmagazine empfehlen, statt einer "Besprechung" einfach den Link zur Homepage der besprochenen Ausstellung einzufügen. Ein kurzes "Gut so" als Kritik am Gezeigten könnte sicherlich günstig zu haben sein.

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