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Barbara Eichhorn: Im Zungenschlag des Augenblicks

Die Bemerkung des amerikanischen Kunstwissenschaftlers W.J.T. Mitchell, daß wir im Zeitalter einer alles durchdringenden Bildproduktion immer noch nicht genau wissen, was Bilder sind, läßt aufhorchen. Barbara Eichhorn wählt das, was sie unmittelbar umgibt zum Sujet ihrer großformatigen Buntstiftzeichnungen, die ungerahmt von den Galeriewänden hängen. Es sind Momentaufnahmen aus ihrem Familienleben, die Mutter mit Kind, die Vater-Sohn Beziehung und Porträts von Sohn Oskar zeigen. Der Gang durch die Ausstellung gleicht einer Passage durch alltägliche Szenen, die uns in einer mediengeschüttelten Welt immer mehr abhanden gekommen sind. Es sind völlig unspektakuläre Darstellungen, deren Eindringlichkeit von einer reduktiven, fragmentarischen Strichführung lebt. Der Mythos vom unabhängig existierenden Individuum wird in den Porträts des Knaben wach, der uns mit seinem intensiven Blick folgt. Um die These aufrechtzuerhalten, daß es Barbara Eichhorn in ihren Porträts um eine Wiedereinführung der Kategorie des \Individuums\ geht, müßte allerdings den individuellen Zügen der Repräsentierten mehr Bedeutung beigemessen werden. In ihren Selbstporträts verhält sie sich zurückhaltend. Zu groß ist die Gefahr, daß ihre ohnehin als subjektiv einzuordnende Methode ihre Familie zu porträtieren als unerträglicher Subjektivismus abqualifiziert werden könnte. Ihre Inhalte liegen auf der Hand und verfügen trotzdem über eine soziale Sprengkraft. Denn Barbara Eichhorns Zeichnungen sprechen vom Körper in einem sozialen System. Darüber hinaus gelingt es ihr durch eine raffinierte Infragestellung sozialer Codes der gesellschaftlich-historisch-determinierten Auffassung von Mutterschaft, eine individuelle subjektive Erfahrung entgegenzusetzen. Die Erkenntnis, daß dem Porträt immer ein Moment der Trauer anhaftet, weil seine Funktion auf die Vergänglichkeit des Porträtierten hinausläuft, wird durch die Gewißheit über den Tod des unlängst verstorbenen Schriftstellers und Zeichners Pierre Klossowski zur Realität. Hier schließt sich der Kreis, der mit den Porträts des heranwachsenden Oskar beginnt und jenen des Greisengesichts endet.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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Barbara Eichhorn
12.09 - 27.10.2001

Christine König Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1a
Tel: +43-1-585 74 74, Fax: +43-1-585 74 74-24
Email: office@christinekoeniggalerie.at
http://www.christinekoeniggalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa 12-16h


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