Manfred M. Lang,
Das Wetter ist rauher geworden letzte Woche
Der Erderwärmungsvorfrühling wich einem windigen Spätwinter und der immer lustlos routiniertere meist am Margaretenplatz versickernde Politwandertag eskalierte letzten Donnerstag zu einer aggressiven Demo mit geprügelten Polizisten und erheblichen Sachschäden. Der Auslöser: Österreichs \"Kultur\"-Großereignis Opernball. Die tanzende, gaffende und begaffte Elite Österreichs bemerkte \"Gott sei Dank\" (Ö3) nichts von den Demonstranten.
Und die \"friedlichen Marschierer ausgenützt von den gewaltbereiten Anarchos\" (Ö3) haben Gott sei Dank die Festroben der weiblichen Ballbesucher nicht gesehen. Das hätte wirklich ein Blutbad auslösen können. Und da meine ich gar nicht die diversen verwelkten und leider auch noch entblößten Brüstigkeiten von Schiller & Co.
Aber wenn sich Politikerinnen für die TV-Veröffentlichung am Opernball freiwillig so anziehen, wenn Politiker ihre Begleiterinnen freiwillig so anziehen lassen, wie sie alle angezogen waren ? ich meine, was wollen wir mit denen über Kultur reden? Wenn fast alle unsere PolitikerInnen diese Peinlichkleiten nicht selbst im heimeligen Spiegel erkennen, wie sollen die ihrem Kulturauftrag nachkommen? Wie sollen sie dann z.B. ein Gefühl, Verständnis, Verantwortungsbewußtsein entwickeln für visuelle künstlerische Äußerungen, Manifestationen, Visionen?
Und trotzdem sollte man nicht Aufhören den Verantwortlichen immer wieder zu sagen: ihr habt einen Kulturauftrag ? ihr tragt die Verantwortung dafür, daß Österreich nicht am Opernball gemessen wird. Drinnen nicht und draußen nicht.
Vielleicht sollte sich z.B. der Chef der Österreichischen Volkspartei auf einem Kultur-Symposium dazu äußern, ob in ihm eine Kultur-Vision schlummert. Wo es dann - ähnlich wie beim Forschungstreff ? nach einer Diskussionsrunde mit Kulturschaffenden durchaus ein paar Milliarden Förderung mehr sein dürfen. Und die Chefin des Koalitionspartners könnte dann gleich ohne Vorbedingungen und dezent gekleidet mitvisionieren.
Der Chef der SPÖ könnte sich auch äußern; wenn schon nicht kulturvisionär ? aus Angst vor vorgängerischer Einweisungsdrohung - dann zumindest programmatisch. Die Grünen werden sich kulturell nicht äußern: die sind einfach noch nicht so weit.
Wie auch immer - wir brauchen nicht nur ein zukunftsorientiertes Kulturbekenntnis der PolitikerInnen. Wir verlangen es von ihnen. Und wo der Wille zum Bekenntnis ist, ist auch der Weg zur Besserung.
Also laßt uns hoffen.
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