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Art Brussels 2015: Vom Atomium ins Postfuhramt

Großes kündigt sich an in Brüssel. Tagesgespräch war zunächst der neue Satellit, der 2016 in der Stadt landen wird. Die hippe, ursprünglich von Galeristen organisierte Independent aus New York wird sich zur Art Brussels gesellen. Die Messe sieht das - zumindest öffentlich - allerdings eher als Bereicherung denn als Konkurrenz - und könnte damit Recht haben. Katerina Gregos, die Künstlerische Direktorin der Art Brussels erklärt: "Brüssel ist noch nicht saturiert, und Independent und wir sind zwei völlig verschiedene Messen, die unterschiedliche Galerien ansprechen. In Brüssel ist Platz für noch einen Player, und Independent sehe ich eher als Ergänzung. Wir vertrauen sehr auf unsere eigene Position, nachdem wir hier 30 Jahre etwas aufgebaut haben. Die Atmosphäre hier ist etwas geselliger als in anderen Städten." So gesellig, dass die Art Brussels tatsächlich so großzügig ist, die eingeladenen Journalisten zuallererst in die Sammlung des Investmentbankers Alain Servais zu karren, obwohl der zusammen mit einer Handvoll anderer Sammler der Off Off-Messe Poppositions (Standkosten 200 Euro) mit einer Ausstellung aus eigenen Beständen Publicity verschafft. Die eigentliche Neuigkeit aber wurde auf der nachmittäglichen Pressekonferenz enthüllt: Die Art Brussels zieht um - in das Tour & Taxis-Areal, wie hier Thurn und Taxis genannt wird. Die Begründungen, die auf Nachfrage genannt werden, vermögen nicht so richtig zu überzeugen. Gregos erklärt: "Wir ziehen aus mehreren Gründen um. Wir sind hier ein bisschen an der Peripherie, und die meisten Dinge passieren mittlerweile im Zentrum. Als Messe, die sehr viel mit Initiativen in der Stadt arbeitet, wollten wir im Herzen der Stadt sein." Das Tour & Taxis-Areal mag zentraler liegen als die Messe am Atomium. Jedoch sind die Ausstellungshallen hinter dem Hauptgebäude kleiner und vor allem teurer als die jetzige Location. Allerdings ist Veranstalter Artexis bereits Kunde dort, etwa mit der Eurantica. Managing Director Anne Vierstraete erklärt dazu: "Wir müssen halt etwas erfindungsreicher sein. Wir werden vielleicht ein Zelt aufbauen. Wir werden die Preise für die unterschiedlichen Sektionen abstufen; auf alle Fälle sollen die jungen Galerien sich die Teilnahme auch weiterhin leisten können." Und dann fügt sie hinzu: "Wir werden Vernissage und Preview trennen. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten beim Sponsoring." Aus deutscher Sicht ist die Frage des Datums von äußerstem Interesse, da bei dem dauernden Terminkonflikt mit der Art Cologne wohl eher die Deutschen das kürzere Stöckchen gezogen haben. Hier gibt es leider keine Entwarnung: "Wir bleiben beim Datum. Es gab immer Diskussionen, ob man die Daten mit Köln zusammenlegt. Das ist eine Möglichkeit. Man kann sie auseinanderlegen. Das ist auch eine Möglichkeit", so Gregos sybillinisch. Die aktuelle Ausgabe der Messe selbst ist aufgeräumt, übersichtlich, angenehm, konsumierbar. Abstraktion, so weit das Auge reicht und relativ viel Skulptur, zumeist in salonfähigen Abmessungen. Das kann man nicht einmal der Messe anlasten. Wie schon in Köln, bringen die Aussteller halt das mit, von dem sie glauben, dass es sich verkauft. Und das gilt für die Etablierten wie die jungen Galerien. Umso mehr fallen die wenigen extravaganten Positionen auf. Ausgerechnet Edeldekorateur Axel Vervoordt (Antwerpen) hat den aufsehenerregendsten Stand: Sadaharu Horio ist das jüngste Mitglied der japanischen Künstlergruppe Gutai - mit 76 Jahren. Sein Solo-Stand sieht aus wie eine explodierte Großskulptur von Arman. Inmitten all dieser Trümmer sitzt der Künstler in einer riesigen Pappschachtel, die als Verkaufsautomat für Kunst dient. Aus einem 8 Punkte-Menü kann der Kunde auswählen, etwa ein "Whipping Painting", ein "Sada Painting" oder ein "Proper Painting". Er wirft einen Euro in einen Geldschlitz, der Galerist sagt die Auswahl an und nach rund einer Minute kommt unten ein "1 Euro Painting" heraus. Waterside Contemporary aus London hat den kompletten Stand mit recht archaisch wirkenden Werken bestückt, unter anderem von Mathilde ter Heine, die an neolithische Fruchtbarkeitstotems erinnern. Ein großes Plus der Messe ist die Fokussierung auf Zeitgenossenschaft. Das lässt Raum für relative Exoten, die man sonst selten auf Messen sieht, wie Drdova aus Prag, the Office aus Nikosia oder beta pictoris aus Birmingham, Alabama. Man kann nur hoffen, dass sich für solche meist finanzschwachen Trüffelschweine aus der Peripherie in der neuen Bleibe auch noch ein Eckchen findet. Denn für diese Entdeckungen fährt man nach Brüssel.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Brussels 2015
25 - 27.04.2015

Brussels Expo
1020 Brüssel, Place de Belgique, 1, Halls 5 & 6
Tel: 0032-2-402-36-66
http://www.artbrussels.com
Öffnungszeiten: 11-19 h


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