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Wirklichkeiten - Malerei gegen den Strich: Mehr Obsession bitte!

An seiner selbst geschaffenen ikonischen Architektur eine gelungene Erweiterung zu kreieren, ist eine ziemliche Herausforderung. Doch das querkraft–Team hat die Hürde genommen. 2008 wurde das Museum Liaunig eröffnet, seither durchgehend als markanter und funktionstüchtiger Bau gefeiert und mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Nun musste aus Mangel an Ausstellungs- wie Depotflächen zusätzlicher Raum geschaffen werden. Seit April 2015 werden der Öffentlichkeit etwa weitere 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche präsentiert. Der souveräne Wurf der ersten großen Ausstellungshalle wird durch die komplexe Gliederung des neuen Saals stilvoll und sinnvoll ergänzt: In der neuen Multifunktionshalle werden über einem dreieckigen Grundriss mittels Stahlbetonträger 37 Meter überspannt, die bautechnisch bedingt vielschichtige Struktur der Decke bietet einen reizvollen Kontrast zur reduzierten Form der älteren großen Röhre, die nach wie vor in autarker Monumentalität das Landschaftsbild beherrscht. Neue interne Verbindungswege und unterirdische Räumlichkeiten wurden geschaffen. In ihrer charakteristischen Handschrift gelang Esther Stocker eine dynamisierende Gestaltung des künstlerisch schwer zu bewältigenden schlauchförmigen Ganges, welcher das Skulpturendepot erschließt, das, vormals nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, in der kostengünstigen Variante der Betonsilotechnik errichtet worden ist. So profan begründet, so sakral mutet dieses Depot effektiv an; die Atmosphäre ähnelt der eines Mausoleums und dieser Pathos wird durch die Wahl der mehr klassischen denn zeitgenössischen Exponate noch gefördert. Die zusätzliche Schaustellung der beachtlichen Sammlung von Portraitminiaturen und einer Glassammlung in ebenfalls neu angelegten Bauteilen präsentiert sich durch die langweilige und unsensible Anordnung von ziemlich hässlichen Vitrinen leider in verwirrender Disharmonie. Dafür leistet die Hauptausstellung mit der bisher umfassendsten Präsentation von Gemälden und Zeichnungen der Künstlergruppierung „Wirklichkeiten“ einen ansehnlichen und auch kunsthistorisch bemerkenswerten Beitrag. Unter diesem Titel stellte 1968 Otto Breicha in der Wiener Secession die individualistischen Positionen von Wolfgang Herzig, Martha Jungwirth, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel und Robert Zeppel-Sperl aus. Ihr Konzept war kein Konzept zu haben und sich den Dogmismen ihrer Zeit gegenüber zu behaupten: dem Katholizismus, der Spießigkeit der Wiener Gesellschaft, dem Postnationalismus, vor allem aber gegenüber den in der Wiener Kunstszene dominanten phantastischen Realisten und dem betonten Avantgardismus der Abstrakten rund um Otto Mauer. Mit Ironie und Witz reagierten diese Künstler und die Künstlerin mit kleineren und größeren Bösartigkeiten und entwickelten ihren jeweiligen Weg der eigenen Wirklichkeit. Hans-Peter Wipplinger hat eine feinsinnige Auswahl der Exponate getroffen, sie sachlich und unaufgeregt gegenübergestellt und bietet in der überreichen, erschöpfenden Zusammenschau so manchen interessanten Einblick. Erstmals in der Geschichte des Museums werden mit den „Wirklichkeiten“ Leihgaben ausgestellt. Dasselbe gilt für die Sonderschau mit Bildern von Sean Scully aus den letzten zehn Jahren, mit der die oben erwähnte neue Multifunktionshalle eröffnet wurde. Dieses Jahr erwartet den Besucher somit eine explizite Konzentration auf das Malerische. Das skulpturale Repertoire ist lediglich fragmentarisch im Rund des Skulpturendepots und durch den neu aufgelegten Bestandskatalog zu erahnen. Allerdings ist die Präsentation der Scully–Schau im Kontext mit den „Wirklichkeiten“ genauso wenig zwingend oder einleuchtend wie die unmotivierte Anordnung der zwei Stellwände in ihr. Die eifrige Konzentration auf die vermeintliche Attraktion eines Namens scheint vor dem Hintergrund der überquellenden Fülle der Sammlung Liaunig belanglos, lenkt im Grunde von der tatsächlichen Potenz der Sammlung ab. Denn die liegt nicht nur in der Fülle und Breite der gesammelten österreichischen zeitgenössischen Kunst, sondern vor allem in der leidenschaftlichen Subjektivität des Bestandes wie in der spürbaren Lust am Ausstellen, d.h. am zur Schau-Stellen des eigenen Besitzes. Kommendes Jahr soll der geplante Skulpturenpark eröffnet werden, und vielleicht bricht dann nach dieser momentanen Absenz jene vermisste Obsession umso vehementer durch. -- Lesen sie dazu auch: Rainer Metzger: Wiklichkeiten Rainer Metzger: Scully
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Wirklichkeiten - Malerei gegen den Strich
26.04 - 31.10.2015

Museum Liaunig
9155 Neuhaus/Suha, Neuhaus 41
Tel: +43 (0)4356 211 15
Email: office@museumliaunig.at
http://www.museumliaunig.at/
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


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