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Bjarne Melgaard - Daddies Like You Don't Grow On Palm Trees: Die Staatskunst endlich abgehängt!

Wie irreführend doch manche Ankündigungstexte sein können! Ja, freilich spielen hier Assoziationen rund um eine fashion creation des Bjarne Melgaard eine Rolle. Auch lässt sich nachvollziehen, dass eine vor fünfzehn Jahren entstandene figurale Bronze-Skulptur des norwegisch amerikanischen Künstlers irgendwo an einem der Anfänge der Konzeption dieses Projekts stand... Doch was sich hier eröffnet ist ein wüstes hin und her, ein Zick Zack an Formen, Bildern; lässig hin gekritzelte Kommentare und Parolen an der Wand. Endlich abgehängt die Staatskunst, lächerlich gemacht alle Verbeugungen vor unseren lieben Aktionisten. Schluss gemacht mit der Heiligsprechung durch Hubert Klockers Gnaden. Gewütet hat Melgaard hier, dass alles nur so schlackert. Wuchtig tönt der Free-Jazz befreiter Zeichen aus dem trashigen Ghetto-Blaster; und nicht mehr das immer gleiche Selbstdarstellungs-Herumgeklimpere am Klavier wie noch zu Zeiten des sadistischen Ober-Gurus Mühl. Nicht einmal die Courage hatte der alte Oberaktionist, sich an jener Person zu vergreifen, die ihm tatsächlich vorschwebte: nämlich an seiner Mutter. Doch Vorsicht, nur ja nicht mit dem Pressegesetz in Konflikt kommen! Es wird hier zitiert, dies ist eine Anspielung, die Bjarne Melgaard in den Ausstellungsräumen der Sammlung Friedrichshof – so wie viele andere Kommentare – an die Wand schmierte in einer Dialektik der Subversion. Was hier proklamiert wird, passiert eher phantasmatisch. Hauptsächlich an den Wänden. Als Tabubruch gegenüber jener Kunst, die genau dies selbst praktiziert hat. Wer sich an die interessante und ziemlich auratisch in Szene gesetzte Ausstellung mit zentralen Werken des Wiener Aktionismus erinnert, die hier noch bis zum Frühjahr 2015 zu sehen war, kann sich am ehesten vorstellen, was Melgaard hier alles durcheinander gewirbelt hat. Von Anfang an, das zeigt sich nun um so mehr, galt dessen Interesse dem Grobschlächtigen; doch nicht um Brutalität zu feiern. Vielmehr ziehen sich seine Bearbeitungen von Identitätskonstruktionen on the edge durch sein gesamtes Œuvre. Schon Ende der 1990er Jahre, beschäftigte er sich Bjarne Melgaard in seinen Zeichnungen mit Heavy- und mit Black Metal, oder er griff Motive von Sado-Maso Ritualen auf. In einer Kollaboration mit dem norwegischen Autor Didrik Soderlind und Michael Moynihan ist das Buch »The Lords of Chaos« entstanden. Vieles kommt also zusammen: das Expressive gelegentlich fast Theatralische, die Obsession auf einer Metaebene Kommentare zu formulieren, Eigenheiten herauszuarbeiten, spezielle existenzielle Momente offenzulegen, ebenso wie homosexuelles Begehren und ungebändigte sexuelle Triebkräfte. Kaum zu bewältigende Widersprüche inszeniert in unterschiedlichen Medien und Ausdrucksformen. Dazu die Transformation all dessen in eine billige Warenwelt, in eine Sphäre, in der Splattermovie-Ästhetik und Schwulen-Clubwelt in gleichberechtigter Koexistenz einen abgründigen Tango tanzen. Richtig also, dass Bjarne Melgaard bereits nach Oslo ins Edvard Munch Museum eingeladen worden ist, um mit hingekritzelten und gemalten Interventionen sowie natürlich mit eigenen Werken in unmittelbarer Nähe der Originale Munchs in einen visuellen Dialog mit dem norwegischen Expressionisten zu treten. Und noch besser, dass Melgaard nun in der Sammlung Friedrichshof noch viel radikaler vorgegangen ist. Man hätte eine pure Melgaard Show, wie auf der Whitney 2014 erwarten können. Aber nein: Indem der Künstler viele Werke der bisherigen Aktionismus Ausstellung wie nebenbei hingestellt in den Räumen beließ, geriet alles zu einer genialen Re-Interpretation jenes Stücks ehemals subversiver Kunst, die – zunächst Underground – nun zum kulturellen Alleinstellungsmerkmal der lange rückständigen Musiknation (ja Musik(!) und nicht Kunst) Österreich erhoben worden ist. Somit ist das bieder korrekte Regime der Musealisierung radikaler Werke der Avant Garde entlarvt, selbst hier an einem der originären Schauplätze, an den Joseph Beuys, Harald Szeemann und andere Größen der Kunst-Elite gepilgert sind. Als Kurator, Konsulent und Verbindungsmann zu Museen und Sammlungen betreut Hubert Klocker die Sammlung Friedrichshof. Während er die Werke seiner Agenda gemäß in der Friedrichshof-Präsentation auf beeindruckende Weise adäquat zum Sprechen brachte, ließ er Bjarne Melgaard jetzt in die Prozesse historisierender Auratisierung eingreifen, indem dieser die Werke von Günter Brus zum Teil abhängte und ohne Ehrfurcht auf den Boden stellt. Ja: »Abgehängt«! Damit ist schon einiges gesagt. Und neue Werke hin; nur ja nicht schon wieder was Besonderes: Am Besten einen Bildschirm auf dem das fade Apple Foto Programm unterschiedlichste Bildchen aufschlägt. Einfach zum Schreien ist, wie Melgaard Teile seiner tatsächlich vorhandenen Fashion Kollektion aus löchrigen, pinkfarbenen T-Shirts auf einem Kleiderständer in die Nähe eines Hermann Nitsch-Werkes mit liturgischen Gewändern platzierte. Ja, ja, Mode, Mode. Eitelkeit da, Eitelkeiten dort. Uuih! Vorsicht! Pressegesetz. Jedenfalls: der Hohepriester der Aktionskunst einmal trivial. Wie im Kaufhaus. Selten so gelacht. Und Stichwort »Storyteling«. Die erwähnte Skulptur gibt es wirklich. Wahrscheinlich hat auch die dazu kolportierte Geschichte einen gewissen Realitätsgehalt. Melgaard soll versucht haben, sie einem zwielichtigen Sammler und damit der Dynamik fragwürdiger Wertsteigerung wieder zu entreißen. JA, und in der Realität gibt es auch einen jungen Mann: den 21-jährigen Liebhaber des Künstlers. Diese Beziehung und den problematischen Altersunterschied von 27 Jahren thematisiert Melgaard ebenfalls, wie aus dem »artist statement« hervorgeht. Als Modell einer gemeinsamen Kunstpraxis ist die gesamte Ausstellung in einer wilden performativen Kollaboration der beiden entstanden. Und noch ein letztes Mal einmal zurück zum Text: Auch eine Referenz an DMT und LSD als »signifikante Inspirationsquelle« sei dieses Projekt nämlich. Natürlich sind die »heilenden Aspekte« der Substanzen hervorgestrichen. Mag sein, mag sein. Der Rausch der Subversion, das Ping-Pong der Zeichen jedenfalls, das ist genial. Fast vergessen ist somit, wie inspirationslos der Psychoanalytiker August Ruhs im Vorfeld der Eröffnung probiert hat, ein sogenanntes Künstlergespräch mit Bjarne Melgaard im Wiener Kunstraum der Sammlung Friedrichshof zu führen. Ohne jegliche Kenntnisse über dessen Arbeit in Anwesenheit des zum Dialog bereiten, geduldigen Künstlers ideenfrei zu monologisieren, das erfordert schon eine gewisse Portion Mut. Das Publikum trug den peinlichen Drahtseilakt mit Fassung. Wie fein, dass aus dieser Ausstellung auch ohne Lacan-Geschwätzigkeit etwas Großartiges wurde!
Mehr Texte von Roland Schöny

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Bjarne Melgaard - Daddies Like You Don't Grow On Palm Trees
16.05 - 30.11.2015

Sammlung Friedrichshof
2424 Zurndorf, Römerstrasse 1
Tel: +43 676 7497682
Email: rausch@friedrichshof.at
http://www.sammlungfriedrichshof.at


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