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SERENDIPITÄT. Kunst zwischen Programm und Zufall: Entdecker und Nachfolger

Linz wurde um eine neue programmatische Kulturinitiative reicher. Im November 2014 wurde hier im Casa Roja eine Temporäre Halle für Kunst aktiviert, in der vorwiegend die Geschichte österreichischer Kunst und punktuell auch ihrer Nachbarn in Themenausstellungen drei mal pro Jahr aufs Neue verhandelt werden soll. Im Zentrum der Interessen der Initiatoren des stolzen Unterfangens – der Kuratorin Angela Stief und des Künstlers Lorenz Estermann – stehen vorerst die Narrationen abstrakter und konkreter Kunst im Verlauf der letzten Jahrzehnte bis zur postmedialen Gegenwart. Beide Ausstellungsmacher erwarten sich dadurch neue Impulse für die Stadt sowie europaweite Auswirkung ihrer Einsätze. Der ersten Schau „Bildbaumeister“ folgt aktuell „Serendipität. Kunst zwischen Programm und Zufall“. Sie zeigt neben den Akteuren der 80er Jahre wie Peter Kogler und Gerwald Rockenschaub, die den Computereinsatz in der Kunstproduktion allgemein populär gemacht haben, zum ersten Mal ausgewählte und zum Teil vergessene Pioniere der Computerkunst wie Marc Adrian, Otto Beckmann, Herbert W. Franke, Kurt Ingerl und den tschechischen progressiven Maler Zdenék Sykora. Die Ausstellung hat den Charakter einer Aufzählung oder eines Katalogs. Ihr Reiz liegt in der Heterogenität einzelner generationsübergreifender künstlerischer Positionen, die man nicht auf ein Modell reduzieren kann. Die Exponate bilden eine abwechslungsreiche Mischung aus Kunst, Artefakten, Filmen und Dokumentationen damaliger Kunstereignisse. In einer der Vitrinen kann man neben der Werkgruppe Zelluläre Automaten des österreichischen Doyens der Computerkunst, Forschers und Initiators der Ars Electronica Herbert W. Franke die Einladung der Wiener Sezession zur Ausstellung elektronischer Computergraphik (1969) von Otto Beckmann und Alfred Graßl sehen, sowie die als Katalog der legendären Londoner Schau Cybernetic Serendipity (1968) fungierende Ausgabe der Studio International, einer Ausstellung an die sich die Kuratorin als historische Quelle beruft. Serendipität bedeutet nichts anderes als ein glücklicher Zufall, der bei den Künstlern, die mit den neuen Technologien damals experimentierten, einen Weg zur Befreiung aus den bisherigen Zwängen wie der absichtsvolle Drang zur subjektivistischen Autorenschaft und Unmittelbarkeit der Expression darstellte. Das Forschen mithilfe der Algorithmen bzw. eigens geschriebenen Programmen, die Rechnermaschinen dann später ergänzten bedeutete „innovative Potenziale“ zu entdecken und neben Wissenschaft zu treten, um der Rationalität der Informationszeit nahezukommen oder sie auf eigene Art zu gestalten. Die aus dem Jahr 1957 stammende Assemblage des Avantgardisten Marc Adrian trägt einen seriellen Titel „C3“, auffallend ist auch die Hinterglasmontage genannte Technik, welche optisch Bewegung in das bisher statische Bildgeschehen brachte. Adrian hat damit die Visualität der digitalen Ästhetik vorweggenommen. Die Anstöße der neuen Informationsästhetik, die ebenfalls an das Medium Film anknüpfte zeigen Filmexperimente von Adrian, Beckmann und Franke aus den 60er und 70er Jahren. Während in den reduzierten Werken der Pioniere der Computerkunst zuerst bewegungsreiche Visualisierungen als auch für die Kunst neugewonnene Materialien und Techniken überwiegen, die den Betrachter in die Stimmung der Zukunft versetzten sollen, wächst bei den jüngsten Generation die Empfänglichkeit für die Erosion der Gegenwart und ihre Spieltriebe. Tina Frank konzentriert sich auf rhythmische Darstellung von Musik- und Filmsequenzen, Lia auf die Errungenschaften generativer Ästhetik. Lias neueste Werkserie Filament Sculptures ist das Ergebnis ihres emanzipatorischen Umgangs mit 3D-Druckverfahren, indem die Künstlerin stets ihre eigene Software dem Computer unterjubelt. Hergestellt werden die auf dem kontrollierten Zufall basierenden kleinen Objekte aus den schwarzen Kunststoff Fasern. Die den Schmetterlingen ähnelnden und in treppenartige Entwicklungsreihen prozessual angeordneten Sujets sehen sowohl real als auch fiktiv aus und durch diesen Zwiespalt und den zufälligen Wink beschwören sie vielmehr museale Exponate als die Zukunft.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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SERENDIPITÄT. Kunst zwischen Programm und Zufall
21.03 - 14.06.2015

Temporäre Halle für Kunst
4020 Linz, Anzengruberstraße 8


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