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BDS, CDS: Boykottaufrufe und Gegenstimmen

Unter dem Kürzel BDS (Boycott, Divestment and Sanction) formieren sich seit einiger Zeit Initiativen, die zum Boykott Israels aufrufen. In verschiedenster Form wird der Boykott israelischer Produkte, der Abzug von Investments und/oder die internationale Sanktionierung Israels gefordert. In den Begründungen wird meist auf Menschenrechtsverletzungen verwiesen, die mit der israelischen Palästinenserpolitik zusammenhingen. Von Wirtschafts- und Universitätskreisen ausgehend, ist BDS zuletzt auch im Kunstfeld verstärkt Thema geworden.(1) Eine zentrale Rolle für die Befürwortung eines akademischen und kulturellen Boykotts kommt dabei den Argumenten der »Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel (PACBI)« zu. Neben der Forderung zum Boykott israelischer Institutionen, die gesamthaft als »complicit« mit der Besetzungspolitik bezeichnet werden (»unless proven otherwise«), findet sich in den Richtlinien der PACBI auch die Forderung nach einem Boykott aller Veranstaltungen außerhalb Israels, die vollständig oder teilweise »by an official Israeli body or a complicit institution« gefördert werden. Nicht zuletzt mit Bezug darauf forderten im letzten Jahr teilnehmende Künstler und Künstlerinnen von der Leitung der Biennale von Sao Paolo den Verzicht auf Förderung durch das israelische Konsulat. Der Konflikt wurde durch einen schriftlichen Hinweis entschärft, dass die Förderung nur den israelischen Beteiligten zu Gute käme. Etwas polemisch ließe sich formulieren, dass bestätigt wurde, dass das »unkorrekte« israelische Geld in einer eigenen Kasse verwahrt wäre, in der es nicht mit den »sauberen« Beiträgen z.B. von Samsung, Petrobras, British Council oder pro Helvetia vermischt werden könne. Wollte man etwas Verständnis für den Aufruf aufbringen, könnte angeführt werden, dass der Gaza-Waffenstillstand zum Zeitpunkt der Forderung nur wenige Tage alt war. Dennoch fiel auf, dass sich in der Liste auch Namen fanden, die im internationalen Biennalebereich – der mittlerweile von den Vereinigten Arabischen Emiraten über Singapur bis nach China reicht – häufig vertreten sind, aber an anderen Orten (und gegenüber anderen Sponsoren) politisch unauffällig geblieben sind. Auf genau diese verschiedenen Maßstäbe (englisch: »double standards«) bezieht sich der offene Brief »Challenging Double Standards – A Call Against the Boycott of Israeli Art and Society« (CDS), der vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde. Zu den Erstunterzeichner/innen zählen auch österreichische Kulturschaffende, die sich insbesondere dagegen wenden, mit Boykottaufrufen jenen Dialog zu unterminieren, der am dringendsten benötigt werde. In sehr sorgfältigen Formulierungen wenden sich die Autor/innen gegen »reductive, binary views of conflict in the Middle East.« (2) Anstatt sich an vereinfachenden politischen Narrativen zu beteiligen, fordert der Brief, der direkt an Unterzeichner/innen von Boykottaufrufen adressiert ist, eine aktive Auseinandersetzung der Kunstwelt ein: »We ask spaces of art and cultural production to deal actively with contradictions rather than ignoring them, and to question political propaganda rather than being subsumed by it.« Mehrmals bezieht sich der Brief auf die Notwendigkeit historischer Perspektive und konstatiert in vorsichtigen Worten das Offensichtliche: »Underlying these movements, we fear there is an upswing of anti-Semitic attitudes and attacks, which seem to convey varying degrees of intentionality.« Es verschaffte dem – anscheinend seit Monaten redigierten – Brief traurige Aktualität, dass er einen knappen Monat nach den »Charlie Hebdo«-Anschlägen in Paris veröffentlicht wurde. Diese Angriffe galten eben nicht zufällig auch einem koscheren Supermarkt, in dem vier Juden sterben mussten, weil sie Juden waren. Fünf Wochen danach, am Freitag, den 13. Februar, veröffentlichte der Guardian eine Erklärung in der Künstler und Künstlerinnen, darunter der Filmemacher Ken Loach, ankündigten, in Zukunft Israel zu boykottieren. Am darauffolgenden Tag wurde in Kopenhagen ein Filmemacher, der ein Kulturzentrum besuchte, und ein jüdischer Wachmann, der freiwilligen Dienst zum Schutz einer Synagoge leistete, erschossen. Zwar stellen die Autor/innen von »CDS« die lokale Verbindung selbst nicht her, doch gerade die österreichische Beteiligung an den nationalsozialistischen Verbrechen ist Grund genug dafür, mit kritischer Aufmerksamkeit auf Boykottaufrufe »gegen Israel« zu reagieren. Der Hinweis darauf, dass ähnliche Aufrufe auch hierzulande am Beginn der physischen Verfolgung standen, sollte dafür genügen. Einer Kultur- und Medienszene, die zu Tausenden dafür unterschreibt, einen qualitätvollen Radiosender zu erhalten, würde es gut anstehen, spätestens nach Paris und Kopenhagen, auch anderen offenen Briefen Aufmerksamkeit zu schenken. (1) Einen informativen Überblick gab zuletzt Chen Tamir in hyperallergic (2) Der gesamte Text des offenen Briefes findet sich unter: cds-call.tumblr.com
Mehr Texte von Martin Fritz

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Danke
Werner Kaligofsky | 24.02.2015 11:14 | antworten
Lieber Martin, danke für den Hinweis und die Analyse. Ich werd's gleich weiterleiten. Beste Grüße, Werner

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