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Eine Frage der Ehre

"Madonna, don`t preach", titelte letzte Woche die Süddeutsche Zeitung, nachdem bekannt geworden war, dass die sonst keine Provokation scheuende Pop-Queen ihr seit Monaten angekündigtes und mit Spannung erwartetes Video zur Single "American Life" nur wenige Stunden nach seiner Veröffentlichung wieder aus dem Verkehr ziehen ließ. Die Begründung: Das Video, das unter anderem Bilder einer Modenschau mit Models im Military-Look und Madonna und eine Frauen-Truppe als Guerillas verkleidet zeigt, könnte angesichts tatsächlicher Kämpfe Anstoß erregen. Zu Recht fragt sich die freie Welt: Was ist los mit Madonna? Wieso erleben wir die Heroine der Provokation und unerschrockene Trendsetterin in Sachen Grenzüberschreitung derart "windelweich" (SZ)? Warum fasst sie das heiße Eisen Krieg überhaupt an, wenn sie es im Augenblick der Veröffentlichung doch wieder fallen lässt? Aufschluss darüber gibt einerseits der Augenschein des angeblich um besonders grausliche Bilder entschärften Videos. Da sind Backstage- und Catwalk-Szenen einer Modenschau mit leicht bekleideten Models in Camouflage und Khaki. Dazwischen sieht man Bilder von Madonna im Fantasiekostüm zwischen Military und Fetisch und einigen anderen Frauen als Guerilla-Trüppchen, die tanzen und einschlägig aggressives Posen- und Gestenvokabular zitieren. Als Höhepunkt reitet die Truppe überfallsartig am Catwalk ein und attackiert die Besucher der Modenschau mit einem Wasserwerfer, während dahinter Bilder von Feuer erscheinen. Madonna schleudert eine entsicherte Handgranate, die von George W. Bush aufgefangen wird und sich als Feuerzeug entpuppt. Im Song "American Life" denkt Madonna über ihre Verwirklichung des American Dream nach. Der Clip dazu ist das Metabild des aggressiven Habitus`, mit dem sie ihr Ziel erreichte, jedoch kein Statement pro oder kontra Krieg. Das Wissen darum, dass wirklich Krieg herrscht, entlarvt aber das Pastiche dieses Clips als spekulatives und leider auch naives Spiel mit Bildern. Madonna hat nicht zuviel gewagt, sondern zuwenig. Als Profi muss sie das erkannt haben. Der zweite Grund für den Rückzug hat mit Veränderungen in der amerikanischen Gesellschaft zu tun, für die Steven Spielbergs orthodoxpatriotisches WW-II-Drama "Saving Private Ryan" (1998) den Spiegel abgibt. Auch Madonna hat verstanden: In den USA darf man an vielem rütteln, nicht aber an der Ehre von "unseren Jungs da draußen".
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
auch madonna...
recursive | 07.04.2003 02:10 | antworten
...ist ein Marionettenpüppchen. Man darf nicht vergessen, dass sie als "kritische Künstlerin" den Kontext zwar verarbeiten darf, die Indizierung sie aber trotzdem unter Druck setzten kann. Auch in den USA ist der Begriff der "künstlerischen Freiheit" relativ und ich persönlich nehme diesen ja nicht zu ernst. Das Bush-Kabinett sicherlich schon und da kann auch eine Ikone wie Madonna nicht viel dagegen ausrichten. Zu kommerziell um noch ernst genommen zu werden.....

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