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curated by_ Liam Gillick & Rachel Harrison: International Company of Wagons Lits etc. etc.: Ironische Verweigerung

Eigentlich ist der Ausstellungstitel International Company of Wagons Lit etc.etc. der Untertitel der aktuellen Schau von Liam Gillick und Rachel Harrison bei Meyer Kainer. Thema des Schauspiels ist im Grunde curated by_, der Name der Initiative, die alljährlich in namhaften Galerien Wiens stattfindet und in deren Rahmen Gillick und Harrison von der Galerie mit der Kuratierung beauftragt wurden. Und wie der zugehörige Prospekt in der Galerie Meyer Kainer offenlegt, ist dieses Thema curated by_, das 2014 unter dem Motto The Century of the Bed steht, für Gillick und Harrison mit multiplen Problemen verbunden: „Chambers, A Psychological Problem; Wagons Lit, A Curatorial Problem; German Bed Stuck to the Floor, A Problem; Full King and Queen, A Stupid Problem; Three into One Won’t Go, Still a Problem“ (jeweils mit „By Liam Gillick and Rachel Harrison“ unterzeichnet). Eine komplizierte Angelegenheit, allerdings von subversivem Humor getragen – und zugleich von einer frappierenden Ehrlichkeit. Denn die beiden Schwerkaliber der zeitgenössischen Kunst waren bei der Findung einer gemeinsamen Lösung von curated by_ ziemlich gefordert – nicht zuletzt durch ihre eigene künstlerische Souveränität. Den gemeinsamen Ausdruck fanden sie in einer vielschichtigen, mehrgleisigen Strategie und einem heterogenen Resultat. Der Prämisse The Century of the Bed begegnen oder entgegnen sie mit der Verweigerung der Repräsentation, d.h. mit der präsentierten Abwesenheit des Bettes bzw. über einen gedoppelten Verweis auf dessen Existenz: in Gillicks PowerPoint Projektion des Typus Murphy Bed (in die Wand einklappbares Schrankbett), das in diversen Ausführungen in flüchtigen Momenten an der oberen Laibung des Eingangs zum großen Galerienraum erscheint und zusätzlich von Texten überblendet wird, die in ihrer temporären Präsenz kaum vollständig lesbar sind. Liam Gillick reflektiert darin über das Künstler–Dasein, den künstlerischen Schaffensprozess und die bedingte Relevanz des künstlerischen Werks im gesellschaftlich und politisch kontaminierten Kontext einer produktionsgetriebenen Welt. Er spricht eine allgemein obligate Aufmerksamkeit, Wachsamkeit und Wahrnehmung an, sowie eine notwendige Resistenz von Kunst und KünstlerIn, Kunst als eine delikate und prekäre Zone zwischen Arbeit und Müßiggang, aber auch als ersehnte Ausflucht aus dem Dilemma des Gegensatzes von Arbeit und Müßiggang. Und er zitiert vor allem das Scheitern von Ambitionen, das er selbst vorführt, denn die Geschwindigkeit der aufscheinenden Texte verhindert das vollständige Erfassen derselben. Die Projektionsfläche ist schmal und in einer reinen Durchgangszone, doch gerade als solche ist das Werk integraler Teil des Komplexes „kuratierte Ausstellung“, eben selbstironisch mit Half a Complex betitelt. Im Hauptraum der Galerie deklariert Rachel Harrison die Absenz des Bettes mit einem radikal reduzierten Setting: In feministischer, schrundiger Farbigkeit sind abstrakt–unförmige, eigensinnige poppige Objekte aufgestellt. Diese Nicht–Sockel und Nicht–Skulpturen sind mit knallfarbigen Schnüren mit den Wänden der Galerie zu leeren Körpern verspannt und erheben damit kokett den Anspruch auf ein Eins–Sein mit dem Galerieraum. Diese artifiziellen Elemente formieren einen Parcours, der zum Wandeln einlädt, Intellektualität und subversive Kritik an „präsentabler Ästhetik“ suggeriert und dagegen eine eigene spröde und zugleich bestechende Ästhetik entfaltet. Man erginge sich schwelgend und erschöpfend in deren abgehobener Selbstverliebtheit, wäre da nicht die zentral positionierte Laterne aus dem Möbelkaufhaus. Diese funktioniert als Störelement, behauptet die Banalität des Alltags inmitten der hehren Kunst und reißt deren Hoheit auf. Als wäre die Laterne, ein Kind anonymer Massenproduktion, der vorausgeschickte Komplize von Liam Gillicks beirrender Soundinstallation, die mit ihrem ungenierten Mix aus ungezwungenem Vogelgezwitscher und markantem Krähengekrächze von hinten aus dem Stufenaufgang hereinschallt und als anregende Unruhe in jene abgehobene Muße dringt: Liam Gillicks Crow macht als vorlaute Klangskulptur Rachel Harrisons eigenwilliger Installation den Raumanspruch streitig. Lustvoll geschieht hier ein wechselseitiges Brechen von autonomen Momenten. Die Kunst ist in dieser Ausstellung nicht Skulptur, nicht Installation, nicht Sound und nicht Text (oder vielleicht: Kunst ist nie simpel Skulptur oder Installation oder Sound oder Text). Sie gründet in dem Dazwischen, in einem energetischen Momentum, das in International Company of Wagons Lit etc. etc. in aufreibender Art explizit wird. Die Kräfte der einzeln sehr potenten Werke werden aufeinander, ineinander und gegeneinander geführt. Die Problematik in dieser kuratorischen Zusammenarbeit wird im oben erwähnten Prospekt als desparate Situation sehr direkt, doch durchaus humoristisch klargelegt. Rachel Harrison und Liam Gillick bekennen diese Defizite und aktivieren sie. Obsessiv fordern und steigern sie sich in dieser Komplexität gegenseitig zum Extrem und treiben das Spiel bis zu einer eigenartig lustvollen Implosion. Und das ist die Dynamik, die diese Schau irritierend markiert – und zu einer prekären Ausstellung nobilitiert.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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curated by_ Liam Gillick & Rachel Harrison: International Company of Wagons Lits etc. etc.
03.10 - 08.11.2014

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


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