Werbung
,

Wege der Moderne - Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen: Etwas Unpraktisches kann nie wirklich schön sein

Die Ausstellung „Wege der Moderne Hoffmann, Loos und die Folgen“ handelt von zwei ehemaligen Schulkollegen, die von Mähren nach Wien auszogen, um in der Haupt- und Residenzstadt Architektur zu studieren. Sie erörtert die künstlerischen und architektonischen Fragen, die sich Josef Hoffmann und Adolf Loos stellten und präsentiert in einer Fülle von Exponaten deren Lösungen. Beide Architekten entwickelten ihre Antworten entlang der Bedürfnisse des neuen Menschen in der Moderne um 1900. Der Kurator Christian Witt-Dörring widmet die einleitenden Räume den Fragen „Was ist die Moderne?“ „Wann beginnt sie?“ „Wann entsteht ein privates Wohnbedürfnis?“ „Wann deckt sich höfische Repräsentation nicht mehr mit der Lebensform höfischer Beamter?“. Er verweist auf den Beginn der Moderne um 1750, auf das Zeitalter der industriellen Fertigung und auf die bürgerlichen Möglichkeiten, über Form und Funktion von Gegenständen zu entscheiden. Wie auch auf die historistischen Bestrebungen von Theophil Hansen, Formen der Frührenaissance werkgetreu zu rekonstruieren. Und er widmet Otto Wagner ein umfassendes Kapitel, dessen Idee eines Gesamtkunstwerkes schon im Historismus zu finden ist. Dessen Durchdringung aller Lebensbereiche aber Wagner als Übervater der beiden Protagonisten erkennen lässt. Die Ausläufer und Nachwirkungen des Werkes von Loos und Hoffmann werden in der MAK-Ausstellung vom Kurator Matthias Boeckl dargestellt und reichen von Josef Frank und Oskar Strnad über das Siedlungsamt des Roten Wien und Margarete Schütte Lihotzky – Wohnung für eine alleinstehende, berufstätige Frau im Frankfurt der 20er Jahre. Die Austellung endet bei den Arbeiten von Hans Hollein und Hermann Czech. Im Laufe der 1890er Jahre begann die Rivalität zwischen Loos und Hoffmann. Loos, der seine Ideen auch publizistisch pointiert aufbereitete, entwickelte seinen ästhetischen, fast priesterlichen Lebensanspruch in einem Maße, das wenig Gemeinsames zwischen den beiden zuließ. Dennoch kamen beide Architekten erstaunlicherweise punktuell zu ähnlichen Lösungen, wie es in der Fassade von Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf 1904 und im Loosschen Haus am Michaelerplatz 1911 zu sehen ist. Am Beginn ihrer „Disputationes“ stand eine Artikelserie, die Adolf Loos ab 1897 in der Neuen Freien Presse anlässlich der Kaiser-Jubiläumsausstellung publizierte und wo er zu Fragen von zeitgemäßer Bekleidung und Einrichtung, von Hausgerät und Bauwesen sowie der Typografie Stellung nahm. Als die Wiener Secession gegründet wurde, wandte sich Loos vehement gegen deren Ambition, das gesamte Alltagsleben künstlerisch zu erfassen. Ausgehend von der Arts and Crafts-Bewegung in Großbritannien und ähnlichen Bestrebungen in Belgien und Frankreich hatten die Secessionisten den Anspruch, zwischen reich und arm in ihrem Kunstwollen keinen Unterschied zu machen. In Wahrheit war die Gruppe um Hoffmann – Koloman Moser, Josef Olbrich, Gustav Klimt u.a. - äußerst elitär und fertigte meist für wohlhabende bürgerliche Schichten. Loos veranlasste das zu der scharfen Satire „Vom armen reichen Manne“ von 1900. Zu einem noch stärkeren, wenn nicht gar endgültigen Bruch zwischen den beiden kam es, als Hoffmann, seit 1899 Professor an der Kunstgewerbeschule und mit 29 Jahren bereits bürgerlich etabliert, eine Beteiligung von Loos an der Innenraumgestaltung der Secession strikt ablehnte. 1903 gründete Hoffmann mit Koloman Moser und Fritz Waerndorfer die Wiener Werkstätte deren Intention von Loos gänzlich abgelehnt wurde. Loos versuchte diesem allumfassenden Kunstbegriff die Vorstellung entgegenzusetzen, dass alle Dinge des täglichen Lebens – Gebrauchsgegenstände und Architektur - dem modernen Menschen dienen sollten. Sie sollten zurücktreten vor dem Gesamtkunstwerk Mensch und ihm ein geglücktes Leben ermöglichen. Während Hoffmann und seine Kollegen die Ästhetisierung bis zum Polsterentwurf anstrebten und verwirklichten, träumte Loos von einer neuen Kultur des Menschen. Er war Handwerkern, Glasbläsern und dem englischen Gentleman bis zum Äußersten verpflichtet. Im der Ausstellungshalle des MAK werden die Gegensätze der beiden Protagonisten anhand der Gegenüberstellung zweier von ihnen gestalteten Schlafzimmer deutlich: Adolf Loos richtete 1903 ein Schlafzimmer für seine Frau Lina Loos ein, vom Architektenteam Hubmann und Vass nach einer zeitgenössischen Fotografie rekonstruiert. Dem gegenüber steht Hoffmanns Schlafzimmer von Johanna und Johann Salzer von 1902, das bis heute als solches genutzt und für die Ausstellung verliehen wurde. Der Boden des Loos’schen Zimmers ist mit blauem Filz ausgelegt, auf dem sich weiße Angorafelle bis zum Sockel des Bettes schmiegen und nur die Matratze aussparen. Das Zimmer ist umgeben von weißen semitransparenten Vorhängen, die das Mobiliar bedecken und gedämpftes Sonnenlicht einlassen - eine Symphonie in Weiß. Wesentlich unspektakulärer und ganz in der Tradition bürgerlicher Bettstätten ist das Zimmer der Salzers. Das Bett verfügt über einen erhöhten Kopf- und Fußteil. Die Flächen sind durch ein rhythmisches quadratisches Ornament gegliedert. Nach dieser Gegenüberstellung der Protagonisten und der Fülle der Exponate ermüdet das Auge ein wenig bei den Nachfolgern von Hoffmann und Loos. Das ist schade und etwas ungerecht, da man das Fortwirken beider Charaktere in der Wohnbautätigkeit des Roten Wien unterschiedlich feststellen kann. Während Loos gemäß seinen Maximen eine Siedlung, ein Stadthaus, ein Vorstadthaus und ein Terrassenhaus baute und damit die Emanzipation des neuen Menschen und seine demokratische Partizipation unterstrich, blieb Hoffmann, obwohl auch er in den 20er Jahren zwei Geschossbauten entwarf – Klosehof und Winarskyhof – der „Welt von gestern“ verhaftet. Einer Welt des (jüdischen) Großbürgertums, das ab 1938/39 abrupt zu Ende ging. Loos der 1933 in Kalksburg elend starb, war die „Gnade des frühen Todes“ vergönnt und entkam so der Nazi-Barbarei. Hoffmann „arrangierte“ sich und lebte bis zu seinem Tod 1956 als wohlhabender Professor in Wien. Dennoch zeigte sich, dass das Loos`sche Gedankengebäude das Tragfähigere von beiden war und den Menschen bis über das 20. Jahrhundert hinaus gut ausstattete. -- Der Titel der Rezension ist ein Zitat aus: Otto Wagner, Moderne Architektur, Wien 1896. S. 41
Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Wege der Moderne - Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen
17.12.2014 - 19.04.2015

MAK-Ausstellungshalle
1010 Wien, Weiskirchnerstraße 3
Tel: +43(1) 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-22 h (18-22h freier Eintritt), Mi-So 10-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: