Werbung
,

Karl-Heinz Ströhle: Made in Japan: Vergnügte Parasiten

Der diesjährige sechsmonatige Aufenthalt von Karl–Heinz Ströhle in Tokio hat in seinem Oeuvre sichtbare Spuren hinterlassen. Das Erlebnis der permanent wiederkehrenden Erschütterungen der Erde und der Schwankungen der darauf gebauten Häuser hat sich in die neueren Bildnisse eingeschrieben. „Made in Japan“ ist der bezeichnende Titel einer 35–teiligen Serie von Bildern, die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit oszillieren. Die Technik ist wie zuvor ein Abdruckverfahren durch Unterlegen des Bildgrundes mit diversen Gebrauchsgegenständen, die nun zum Großteil dem japanischen Baumarkt entstammen. Die spröden Gepräge von Fußabstreifern, Elektrokabelschläuchen u.a. bauen eine eigenartig sinnliche Situation auf, gleich einem lustvollen Abtausch zwischen elementaren Strukturen: ein Eldorado des Dialogs zwischen der schwingenden Linie und der vibrierenden massiven Fläche oder dem Körper, der vermeintlich ein Bauwerk darstellen könnte. Dieses erscheint geschüttelt, doch hält Stand. In dieser auch narrativen Situation klingt ein humoristisch unbeschwertes Moment an, das Ströhle in der Videoinstallation im Untergeschoß der Galerie auf mehreren Sinnebenen weiterentwickelt. Unter den eleganten Räumlichkeiten des im Frühling eröffneten neuen Standorts von Andrea Jünger erstreckt sich das verflieste Gewölbe der ehemaligen Bäckerei. Ströhle zeigt einen Film mit Aufnahmen verschiedener imposanter Gebäude, darunter der Flakturm im zweiten Wiener Bezirk, der Fernsehturm am Alexanderplatz in Berlin oder das Shanghai–Museum, doch bevorzugt moderne Hochbauten. An diese sind seine charakteristischen Skulpturen montiert. Es sind Konstruktionen aus Stahlbändern, deren transparente Volumen durch die Spannung und den Widerstand des Materials ins Wackeln, Zittern, in tänzerischen Rhythmen versetzt werden können. Als bizarre Formen schlingern sie um die Bauten. Sie nutzen die Strenge ihres Trägers für ihre leichtfüßige Ironie, sitzen wie ein vergnügter Parasit der hehren Strukur des Gebäudes auf. Vor die Projektion sind zwei solche vasenförmige Skulpturen positioniert. Sie heben sich in ihrer linearen Präsenz, verdoppelt durch ihren Schattenwurf, deutlich vor dem Geschehen auf der Leinwand ab. Ströhle arbeitet hier in mehreren Schichtungen: die tatsächlich dreidimensionale Skulptur, ihr Schatten, die digitale Überblendung einer solchen Skulptur im Film, der Film selbst und schließlich als letzte Ebene die markante Rasterung der umgebenden Fliesenwände. Genialer hätte man der Dominanz des All–Over der historischen Verfliesung nicht begegnen können, die gewitzten Skulpturen übernehmen auf allen Ebenen die Regie. Nur das Exemplar am Fernsehturm des Alexanderplatzes schlittert unvermutet ab, doch ungeniert wobbeln die anderen in neckischer Unermüdlichkeit weiter.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Karl-Heinz Ströhle: Made in Japan
03.09 - 19.10.2014

Galerie Jünger (alte Location)
1040 Wien, Paniglgasse 17A
Tel: +43 664 111 47 71
Email: office@galerie-juenger.at
http://www.galerie-juenger.at/
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: