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Kirsten Borchert - Transformer: Otto Neuraths wilde Enkelin

Das dominante Objekt dieser Schau ist zweifellos ein aus Dachlatten, Pressspanplatten und Farbe bestehendes drei mal drei Meter großes Bild, welches in einfachen Formen so etwas wie ein kryptisches Piktogramm ergibt. Was Otto Neurath in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als möglichst klar lesbare Bildsprache entwickelte, wird hier zu einem erratisch unlesbaren, aber ästhetisch umso ansprechenderen Kunstobjekt verarbeitet. Die postmoderne Fragwürdigkeit und Mehrdeutigkeit wird in dieser grandiosen Installation mit der Sprache der Moderne zur Aufführung gebracht. Natürlich sind Pfeile und Balken, sowie andere extrem vereinfachte Formen nichts exklusiv Modernes und noch weniger nur auf Piktogramme Beschränktes. Die Art der Präsentation erinnert ungemein an Hinweisschilder, lässt jedoch unwillkürlich an das Werk Otto Neuraths, des Pioniers moderner Formensprache, denken. Allerdings stehen hier die Formen an sich im Zentrum. Spätestens wenn man die einzelnen noch nicht montierten Plattenteile mit den selben Symbolen an der gegenüberliegenden Wand des Raumes lehnen sieht, wird einem klar, dass die Künstlerin ein weiteres Thema der klassischen Moderne ins Spiel bringt. Ganz in dekonstruktivistischer Manier wird das Vokabular, aus dem die Kunst Borcherts besteht, noch einmal zerlegt und dadurch die Möglichkeit beliebig vieler anderer Bilder im wahrsten Sinne des Wortes in den Raum gestellt. Das zweite, nicht minder spektakuläre aber dennoch völlig anders geartete Kunstwerk, welches sofort auffällt, ist eine Skulptur aus Schalungsplatten und Beton. Hier ist es abermals die klare rechtwinkelig-geometrische Sprache des Konstruktivismus – etwa eines El Lissitzky oder Suetin –, die durch das Aufsetzen grob gegossener Betonklumpen gebrochen und konterkariert wird. Spannend ist hier vor allem, dass die Platten, die dem Material Beton die Form aufzwingen sollten, eine geometrische Struktur ergeben, während die gegossene Masse anscheinend unzähmbar ausufernd und oft wie hingeworfen auf dieser Struktur ruht. Eine Analogie zum Verhältnis der Postmoderne zur Moderne, auf der sie unweigerlich aufbaut, drängt sich beim Betrachten dieser Skulptur geradezu auf. Dass all dies auch ästhetisch ansprechend und nicht zu akademisch umgesetzt wurde, macht diese Ausstellung zu einer echten Empfehlung.
Mehr Texte von Wolfgang Pichler

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Kirsten Borchert - Transformer
27.06 - 28.08.2014

Startgalerie im MUSA
1010 Wien, Felderstraße 6-8, neben dem Rathaus
Tel: +43 1 4000 8400, Fax: +43 1 4000-99-8400
Email: musa@musa.at
http://www.musa.at
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 11-18, Do 11-20, Sa 11-16 h


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