Werbung
,

Arnulf Rainer - Retrospektive: Hieronymus in seinem Gehäuse

Die Wiener Albertina zeigt anlässlich des 85jährigen Geburtstags von Arnulf Rainer eine inspirierende Retrospektive des österreichischen Malers. Den beiden Kuratoren Antonia Hoerschelmann von der Wiener Albertina und Helmut Friedel vom Frieder Burda Museum, dem Koproduzenten dieser Ausstellung, ist dabei eine sehenswerte Auswahl und Präsentation richtungweisender Arbeiten des Rainerschen Oeuvre geglückt. Es sind die „crucial points“ von den grafischen Anfängen, Fingerfarbmalereien, übermalten Fotografien und großformatigen übermalten Tafelbildern die mithilfe von locker gestellten Trennwänden eine Art Ausstellungsparcours bilden, der dem Betrachter Durch- und ungewöhnliche Einblicke ermöglicht. Es ist diese Art der Präsentation die den Blick auf ein gelungenes und facettenreiches Künstlerleben frei gibt. So sind am Beginn der Ausstellung die sogenannten „Kruzifikationen“ aus den 50er Jahren zu sehen wo Rainer mit Stiften und Linienverdichtungen Zentrierungen schuf. Er ist damit dem Tachismus der damaligen Zeit nahe und es ist ein Ausprobieren am Material das nach einer akzeptablen Ausdrucksform ringt. Arnulf Rainer ist wie andere seiner Generation ein Kind der Zwischenkriegszeit. Er war 16 Jahre alt als der Zweite Weltkrieg zu Ende war. Der Nachholbedarf an internationaler Kunst war riesig und die Formfindung eine schwierige. Nach der künstlerischen Dürre der Nazizeit gab es plötzlich die Überfülle an Ausdrucksformen und es war wohl schwer, eine eigene zu finden. Eine frühe Arbeit aus 1949 zeigt eine surrealistische Zeichnung: den „sterbenden Rainer“. Es sind dicht gesetzte Linien die ein Gesicht einschwärzen und den Körper des Betreffenden fallen lassen. Aus dieser Zeit existiert auch ein Porträt von Maria Lassnig mit der er damals befreundet war. Über die surrealistischen Anfänge kam es bald nach den vereinzelten Strichgebilden und vertikalen Ausrichtungen der Blätter zu den ersten Übermalungen großer Leinwände. Die ersten dieser Arbeiten – entstanden oftmals über mehrere Jahre – sind in der Albertina zu sehen und überzeugen schon in dieser frühen Zeit durch ihre Schönheit. Rainer, der oft manisch am Material und an künstlerischen Lösungen herumexperimentierte, schloss diese Phasen mit einem meditativen Farbvorhang auf der Leinwand ab. Meist bleibt eine helle Stelle frei die den Untergrund sichtbar macht. Ansonsten bedeckt die Farbe das Gewesene. Manchmal schließt sie wie ein Theatervorhang das Gesehene ab. Es ist immer auch eine Art Auslöschung, die in der Monochromie von Rainer liegt. Diese theatralische Art und Weise des Malens sollte Rainer bis in die Gegenwart beibehalten. Es ist streckenweise ein barocker und auch katholischer Gestus, den Rainer hier zu Grunde legt. Und, es ist bei Arnulf Rainer immer eine Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sein spürbar. Seine permanenten Befragungen nach der Conditio Humana zeigen sich auch in den fotografischen Übermalungen seiner Selbstporträts - den „Face Farces“ die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit dem Gestus, der Grimasse – erinnert sei hier an den überarbeiteten Zyklus der Messerschmidt Köpfe – ist es auch der Tod, das entschlafene Gesicht, das Rainer immer wieder beschäftigte. In der Ausstellung sind dazu nicht nur die übermalten Totenmasken aus den 70er Jahren zu sehen oder das „Kistenwalhalla“ 1980/88 sondern auch der „Hiroshima-Zyklus“ von 1982. Dieser 72teilige Zyklus basiert auf schwarzweiß-Fotografien von Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe. Es sind Bilder der Zerstörung und Verwüstung, der Toten, des Elends und des Drecks. Rainer setzte sich damit auseinander, bearbeitete sie grafisch und übermalte sie streckenweise. Es ist diese individuelle Auseinandersetzung mit den menschlichen Katastrophen, die Rainer zu künstlerischer Gestaltung führt. Der Anblick dieses Zyklus ist schwer erträglich. Und doch trifft diese Reihe auch heute noch den Nerv unserer Zeit, besonders wenn man an die aktuellen kriegerischen Handlungen an den Rändern Europas denkt. Zuletzt sei hier noch auf die Altersbilder des Meisters verwiesen. Malerische Arbeiten aus den Jahren 2002 bis 2014 sind am Ende der Ausstellung zu sehen. Es sind meist große Formate, in denen unterschiedliche Farbbahnen - Stoffbahnen ähnlich - die Leinwand ´liebkosen`. Die Palette hat sich aufgefrischt, die Farben sind heller freundlicher und durchscheinender. Arnulf Rainer kommt offensichtlich in seinem Alterswerk zu heiteren Lösungen von malerischen Fragen. Möge ihn diese Leichtigkeit weiterhin begleiten.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Arnulf Rainer - Retrospektive
03.09.2014 - 06.01.2015

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: