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Griff ins Klo

Wenn sich Politiker oder Politikerinnen plötzlich für Kultur zu interessieren beginnen, dann nimmt es meistens keine gute Wendung. Das erfuhr man kürzlich auch im Kunsthaus in Graz, wo der Bürgermeister unerwartet auf krude Ideen kam. Ohne zuvor das Gespräch mit den Zuständigen gesucht zu haben, wollte er, völlig überraschend, das Programm des Hauses alle ein bis zwei Jahre neu ausschreiben. Zu wenig Grazkunst, zu viel Subventionen, aber zu wenig Publikum. Das wirklich Ärgerliche an der Sache war bestand darin, dass eine Studie aus dem Jahr 2011 instrumentalisiert wurde, die damit eigentlich gar nichts zu tun hatte. Damals untersuchten Tasos Zembylas und Juliane Alton die Kulturförderung der Stadt Graz. Sie kamen zu bemerkenswerten Ergebnissen, die einem zuvor noch nicht bewusst waren. Zum Beispiel, dass das Kunsthaus Graz fast 91 Prozent der städtischen Förderungen aus dem Bereich bildender Kunst und Fotografie erhält. Der Grazer Kunstverein zum Beispiel, der nach dem Kunsthaus die zweithöchste Jahresförderung erhalte, bekomme jährlich 1,7 Prozent des Platzhirschen. Dementsprechend fehle es vor allem, so die beiden AutorInnen, an Ausstellungsinstitutionen mittlerer Größe. So empfahlen sie – natürlich auch nichts, worüber sich das Kunsthaus groß freuen könnte – dem „Friendly Alien“ fünf Prozent des Budgets zu streichen und Kleineren zu geben, auf dass diese ihren Aktionsradius erweitern könnten. Doch sagt der Bürgermeister etwa: Nehmt dem Kunsthaus ein ganz klein bisschen weg und gebt dem Kunstverein – und auch vielen anderen, etwa der Camera Austria, dem Rotor und all den anderen kleinen, engagierten und selbstausbeuterischen Institutionen – mehr Förderungen? Nein, er sagt: Wer auch immer sich aufgerufen fühlt – eh wurscht, ob jetzt Designer oder Hochschulprofessoren, ob die Kulturbeauftragten von Unternehmen oder vielleicht auch Informatiker – soll uns sagen, wie wir da die Besucherströme hineinkarren können. Man muss das Kunsthaus nicht mit Zähnen und Klauen verteidigen. Es zieht tatsächlich zu viele Mittel ab (wobei daran zu einem Gutteil eben jene spektakuläre Architektur verantwortlich ist, auf die Graz so stolz ist). Es könnte sich vielleicht wirklich mehr um eine Integration der lokalen Szene kümmern. Aber eine seriöse Studie von vor drei Jahren anzuführen, um derartige Vorschläge zu unterbreiten: Das ist wirklich hanebüchen. Immerhin musste der Bürgermeister kürzlich zurückrudern. Ein echter Griff ins Klo.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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