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Medienunspezifität

Aktuelle Kunsttheorie und die Malerei


R.H. Quaytman: Passing Through the Opposite of What it Approaches, Chapter 25 Ausstellungsansicht: The Renaissance Society, Chicago 2013, Courtesy: Miguel Abreu Gallery, New York

In der namhaften Kunsttheorie kursieren wieder Vorschläge, die krisenfeste Konjunktur der Malerei zu begründen. Fallen diese Erklärungsansätze unter das, was Slavoj Zizek eine hermeneutische Versuchung fasst? Wahrscheinlich. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass es darum geht, theoretisch zu kartieren, was ohnehin bestens funktioniert. Und gerade das schmerzt. Tatsächlich verliert die theoretische Arbeit in den letzten Jahren empfindlich an Einfluss. Besonders schwer wiegt der Vergleich zu ihrer Hochphase unter dem Poststrukturalismus in den 1990er Jahren. Gibt es nun andere Treiber, wie die Pragmatik des Ausstellungsbetriebes oder die Nachfrage des Markts, so wird es für die theoretische Produktion eng. Es drohen Anpassungsprobleme, Wettbewerbsnachteile, Gesichtsverlust. Doch von vorne. Worin besteht die Charakteristik der neuen Theorie der Malerei? Und was sind ihre methodischen Voraussetzungen? Hier können nicht alle Gedankengänge resümiert werden, allenfalls Aperçus angerissen. Auffällig ist in erster Linie die Befragung der Medienspezifität oder vielmehr der Medienunspezifität. Die Malerei stehe neben sich, heißt es bei David Joselit, sie bewege sich jenseits der Beschränkungen ihres einst traditionellen, materiellen Trägers, (André Rottmann), sie ist ein „Dispositiv“ (Helmut Draxler), sie ist eine Form des „Zeichen-Machens“ (Isabelle Graw). Über die Malerei sprechen, bedeutet heute zugeben, dass es keinen Substanzbegriff von Malerei mehr gibt. Gattungsüberschreitung ist ihr Kennzeichen. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl Gerhard Richter, es werden auch andere genannt, wie zum Beispiel Luc Tuymans, Cheney Thompson, R. H. Quaytman oder der polnische Maler Wilhelm Sasnal. Sie alle arbeiten mit Farbe und Pinsel, entwickeln ihre Bildwelten jedoch in Anlehnung an eine Visualität des Alltags, an private und öffentliche Bilder, an Medien und vor allem fotografische Vorlagen. Angesichts der Medienunspezifität heben die theoretischen Versuche auf politische und gesellschaftliche Bedeutungen der Malerei ab oder weisen schlicht auf das Ungenügen herkömmlicher Kategorien wie Form und Farbe hin. Alle vereint jedoch ein blinder Fleck. Sie leiden unter einer fraktalen Zeitbeziehung gegenüber ihrem Gegenstand. Charakteristischerweise sind diese Deutungen darin charakterisiert, dass sie Herleitungen für bereits länger bestehende Tatsachen liefern. Es sind nachgereichte Formulierungen, die unverdrossen zu spät kommen, nicht nur im Falle von Gerhard Richter. Sie geben sich nicht einmal den Anschein, sie hätten es immer schon gewusst, denn dann wäre etwa die Leipziger Schule ebenso erkenntnis- und kommentarwürdig geworden. Was sie nicht ist. Wissenschaftlich gesehen – und nicht selten gebärden sich diese Versuche als wissenschaftliche Deutungselaborate, – sind es kulturelle Anamnesegeschichten, die als aktuelle Zeitdiagnosen daherkommen. Und weil sie zeitlich nach den Phänomenen sind, wirken sie in vielen Teilen unbeholfen, wie auch andere Kunstgeschichtsschreibung, die sich wacker um Gegenwart bemüht, ohne sie zu fassen zu bekommen. Nachreichung ist in der aktuellen Kunsttheorie jedoch erheblich, denn sie kann und darf sich nicht damit begnügen, allenfalls Wirkungen festzustellen, ohne Ursachen vor ihren Effekten im Blick gehabt zu haben. Sie verliert ihre Rechtfertigung, wenn sie zur Kunst-Geschichte wird und damit die eigene Akademisierung droht. Doch noch schwerer als die eigene Historizität, (die seltsamerweise in der Malerei, die zitiert, ihrerseits verborgen liegt), droht ein zweiter Aspekt. Die Durchsetzung der Malerei wird durch eine ökonomisch getriebene Aufmerksamkeit gestützt. Auf Auktionsmärkten sind es gemalte Bilder, die die höchsten Preise erzielen, in Galerien gehen die Leinwände zuerst über den Ladentisch. Dies wird von keinem der Autor/innen bestritten. Doch keine/r möchte den Eindruck erwecken, dieser Entwicklung Vorschub zu leisten. Dies würde dem Markt die Meinungshoheit zugestehen und damit die eigene Legitimation unterhöhlen. Und dennoch hat der Markt einen relevanten Vorsprung. Er besitzt nämlich eine Vorstellung von einem Substanzbegriff. Dies gilt sogar ungeachtet der Tatsache, dass just jene Bilder die höchsten Preise zu erzielen scheinen, in denen sich Maler an anderen Medien orientieren. Es sind die medienunspezifischen, die die Spezifik dieser Entwicklung ausmachen.

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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