Margareta Sandhofer,
Kunst-Stück: Alfred Hrdlicka - Nachtmahr I
Die Zeichnung stellt (ähnlich der Radierung) in Alfred Hrdlickas Oeuvre eine durchwegs eigenständige Position dar, die nicht zur Vorbereitung oder Skizzierung von Entwürfen für sein bildhauerisches Werk diente. Sie nimmt vielmehr als das ideale Medium um seine Gedanken und Empfindungen spontan und authentisch festzuhalten einen besonderen Stellenwert ein.
In Hrdlickas Kreidezeichnung „Nachtmahr I“ von 1983 sind die Referenzen auf Johann Heinrich Füssli beabsichtigt, dabei ist das Thema von ihm unverkennbar sehr persönlich interpretiert. Der schlafenden weiblichen Gestalt sind statt der grotesken Wesen Füsslis zwei Männer hinzugefügt. Die Physiognomie des linken ist als Selbstdarstellung zu identifizieren, mit stechendem Blick beobachtet er den nur schematisch dargestellten anderen, wie er über eine am Rücken liegende nackte Frau herfällt, die wie benommen mit sich willfahren lässt. Die Typisierung dieser beiden Gestalten unterstreicht die grundsätzliche Bedeutung des bizarren Geschehens. Sexualität wird nicht nur als gewalttätiges Machtspiel charakterisiert, sondern darüber hinaus als ursächliches Prinzip für jedes menschliche Agieren exemplifiziert. Hrdlickas Strichführung ist zügig und vehement, teilweise verdichtend verwischt, sodass die weißen Körper in massigen Volumen vor dem schwarzen Grund bühnenmäßig inszeniert erscheinen. Die Dramatik ist zur Drastik gesteigert, die mit der formalisierten Wiedergabe eine allgemeine Gültigkeit beansprucht – vom Künstler als außenstehender Betrachter erkannt und reflektiert. Im selben Zug weist er uns als Bildbetrachter genau dieselbe Rolle zu.
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