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Knappe Kunst bei Freunden

Die Satellitenmessen der Armory Week Die größte Sorge der Art Show in der Armory in der Upper East ist der Nachschub. Nicht der an qualifizierten Bewerbern, sondern an hochkarätiger Ware. denn Aussteller sind sowieso ausschließlich Mitglieder der Art Dealers Association of America ADAA und damit Händler. Dort aufgenommen zu werden, ist schon nicht einfach. Und selbst die Mitgliedschaft ist keine Garantie auf Messeteilnahme. Das Problem am oberen Ende der Verwertungskette ist vielmehr die Knappheit der Ressource Kunst. Kanonisierter, musealer, richtig teurer Kunst. Einige der Schwergewichte haben sich daher darauf verlegt, auch zeitgenössische Großformate von Künstlern anzubieten, mit denen sie sich bei internationalen Top-Messen eher nicht bewerben würden. Tatsächlich wäre eine Solo-Präsentation wie die von Gavin Turk bei David Nolan auf der Armory Show oder der Independent wohl in besserer Gesellschaft, weil sie den Unterschied zur ansonsten hier angebotenen "Galeriekunst" arg deutlich werden lässt . Die Stärke der Art Show ist dann eben doch der kanonisierte Teil des Kunstmarkts. Für den Nicht-Amerikaner gibt es da durchaus noch Entdeckungen zu machen. Oskar Florianus Blümner ist so ein Name, der in Europa relativ unbekannt ist, in den USA hingegen ein Star. Der 1867 in Deutschland geborene Künstler hat seine Karriere Anfang des 20. Jahrhunderts gemacht mit Gemälden zwischen Kubismus und Expressionismus. Bei Menconi + Schoelkopf aus New York hängt eine seiner mittelrformatigen Landschaften aus dem Jahr 1911, die einen niedrigen Millionenbetrag kostet. In dieser Preisregion ist hier einiges im Angebot. Eine Landschaft von Magritte mit siebenstelligem Preis hat Richard Feigen aus New York bereits verkauft. Vier kleinere Arbeiten von Max Ernst warten noch auf Kunden. Die könnten durchaus beruhigt sein, alle Arbeiten seien tatsächlich aus den 30ern, mit tadelloser Provenienz und weit zurückreichender Ausstellungsgeschichte. Ja, Beltracchi sei durchaus ein Thema, er habe sogar einen ärgerlichen Aufritt in 60 Minutes gehabt, einem der wichtigsten Informationsformate im US-Fernsehen. Die Beschäftigung mit dem Problem auf Seiten der Händler sei durchaus vorhanden, aber sehr diskret. Die Volta hingegen plagen ganz andere Sorgen. Hoffentlich. Die kleine Schwester der Armory mit den etwas lockereren ästhetischen Ansprüchen sollte in ihrer siebten New Yorker Auflage eigentlich wissen, wie es geht. Bei ihrer zweiten Ausgabe in einem alten Gebäude in SoHo sind die interessanteren Aussteller, die man auch sonst schonmal auf internationalen Messen sieht, im enggestellten Souterrain zusammengepfercht. Das lichte Obergeschoss mit der hohen Decke und seinen weiten Gängen hingegen ist den Galeristendarstellern und der Laut-Malerei vorbehalten. Hundeportraits, Kunst-Leistungskurs und Spiegel im barocken Plexiglasrahmen mit groß ins Glas graviertem "Selfie" - die wenigen nicht sturzdummen Positionen gehen hier oben in der Kakophonie aus Überoffensichtlichem und mit Gewalt Gewolltem hoffnungslos unter. Das Konzept der Solo-Präsentationen ist an dieser Stelle nicht hilfreich, offenbart es doch allzu oft das Elend in epischer Breite. Unten hingegen mischen sich überwiegend etablierte Galerien mit engagiertem Programm und erntshaften jüngeren Kollegen. Ernst Hilger aus Wien zeigt Daniele Buetti (1.000 bis 42.000 Dollar), Kleindienst aus Leipzig Rosa Loy, die Frau von Neo Rauch (11.000 Dollar bis 28.000 Dollar). Durchaus einen zweiten Blick wert sind etwa die gebrochenen Erinnerungslandschaften von Tim Kent bei der New Yorker Slag Gallery (2.800 bis 18.000 Dollar) oder die manischen Kleinformate des in New York lebenden Schweizers Hans Witschi (ab 2.000 Dollar). Es lassen sich durchaus Positionen finden, die Bestand haben dürften. In der Breite ist der Unterschied zur Scope und ähnlichen Leistungsschauen des Dekorationsgewerbes jedoch erschreckend gering. Der Sammler, der nicht selten Erstkäufer ist, wird hier in der Beliebigkeit der Auswahl völlig allein gelassen. Das Problem der Kriterienlosigkeit hat die Independent in gewisser Weise nicht. Sie wird von Galeristen organsiert, die einfach ihresgleichen einladen, und die sind ziemlich weit oben in der Kunstszenen-Hackordnung angesiedelt. Dazu kommt die für New Yorker Verhältnisse fast schon historische Location der ehemaligen DIA Art Foundation, dem Ort, mit dem die Entwicklung von Chelsea in der jetzigen Form praktisch begonnen hat. Hier trifft sich die wahre Elite der Kunstszene, wenn man der Selbsteinschätzung der Besucher folgen will. Das Angebot deckt dabei eine erstaunliche Bandbreite ab. Veteranen der programmatischen Galeriearbeit wie Meyer Kainer aus Wien sind hier ebenso vertreten wie ehemalige Speerspitzen der Hipness wie Herald Street aus London. Sogar Michael Werner (New York) darf sich hier ein bisschen Street Credibility holen. Ob das mit Skulpturen von Hans Arp gelingt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Bei Art:Concept aus Paris lässt Roman Signer Tischtennisbälle von Ventilatoren über die Saiten eines Flügels blasen (200.000 Dollar). Wahrscheinlich ist das eine Klanginstallation; bei dem vorherrschenden Lärm lässt sich das nur vermuten. Christian Nagel aus Berlin gefällt das Format, "weil man hier Ausstellungen machen kann und nicht in so eine Koje gezwängt ist". Diese offene Form, die manchmal eher wie ein Durcheinander wirkt, ist denn auch, was den Reiz der Messe ausmacht – zusammen mit dem tatsächlich beschlageneren Publikum, als man es sonst antrifft. Das gefällt auch Susanne Zander aus Köln, die mal wieder die Gelegenheit nutzt, den Kunstbegriff zu erweitern. Sie zeigt Fundsachen von anonymen Menschen, die ihrer Obsession eine bildliche Form gegeben haben - seien es pornographische Zeichnungen, seien es Inszenierungen als Cross-Dresser oder die penible Dokumentation einer außerehelichen Beziehung. In ihrer Kompaktheit und relativern Frische ist Independent die spannendste Messe der Armory Week. Noch. Denn diese auf der Form der "Freundschaftseinladung" beruhende Veranstaltung könnte irgendwann auch als Spielart eines Kartells verstanden werden, wenn immer wieder nur dieselben Galerien teilnehmen. Dann droht schnell Verkrustung und Stillstand. Der Übergang von lockerem Verbund zu professioneller Organisation könnte da ein kritischer Moment sein. Und diese Wandlung vollzieht sich gerade. Mitgründer Darren Flook hat seine Galerie Hotel in London bekanntlich vor einiger Zeit geschlossen und könnte von daher jetzt als Beruf Messorganisator angeben. Und Geld soll jetzt offensichtlich auch verdient werden: Für den bisher kostenlosen Besuch sind ab sofort 20 Dollar fällig. Und im Herbst wird es mit Independent Projects einen etwas kleineren Ableger am gleichen Ort geben. The Art Show Volta NY Independent
Mehr Texte von Stefan Kobel

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