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Damien Hirst / Arnulf Rainer - Durcheinander / Commotion: Hirst malt – Rainer fotografiert

Nun wurde also der dritte Paso Doble von Kurator Rudi Fuchs zwischen einem geladenen Künstler und dem Hausherrn des Arnulf Rainer Museums in Baden arrangiert. Und, wie Zufall, Know-How und Kombinationsgeschick eben so zusammenspielen, wurde diesmal Damien Hirst als “rotes Tuch” zum Tanz mit Altmeister A. R. engagiert, der wohl als Torero fungiert. Erst imaginär, dann als Storyboard wurden Werke beider Künstler platziert, gematcht, miteinander / durcheinander – der Ausstellungstitel! Wobei Commotion durchaus auch Aufregung, Eklat, Aufruhr vermuten ließe. Dem ist aber nicht so. Vielmehr wurde durch Auswahl und Hängung assoziative Harmonie und Ergänzung der Bilder erreicht. Farblich wurden in den Ensembles konsequent die Ähnlichkeiten der verwendeten Palette gesucht und gefunden. Und man kann sich kaum dagegen verwehren, in einzelnen der Rainer-Bilder denn doch auch schemenhaft einen Vogel zu erkennen – Paradies- oder Krähe sei dahingestellt – wenn nebenan bei Hirst sein bevorzugtes Motiv Papagei bzw. Elster zu sehen ist. Wenn man es so lesen wollte, scheints wie ein: Zeig mir deins, ich zeig dir meins. Wobei aber jeder vollends in seiner Welt bleibt. Arnulf Rainer wuchert mit seinen frühen Übermalungen - informel bzw. Fotografien - und vor allem mit seinen Fingermalereien. Damien Hirst, der sich als strategischer / konzeptueller Künstler und gewievter Panzerknacker des Kunstmarktes einen Namen gemacht hat, hatte ab 2008 in ruhig-ländlicher Idylle zu Pinsel und Farbe gegriffen und zeigt seine stilllebenartige Serie Two Weeks One Summer. Auf die Unmittelbarkeit im Moment des Malens habe er sich eingelassen, heißt es. Und er hat sich dabei prinzipiell einem Malen im eher klassischen Sinn von klarer Pinselführung, Gegenständlichkeit, Räumlichkeit zugewandt. Ebenso arbeitet er mit Kontrast: dunkle blaue Hinter- oder Untergründe, davon rot-gelb-grün hervorleuchtende Papageien, rosaweiße Blütenzweige und in der Dunkelheit zentral platziert: blitzend weiße Haizähne aufgereit im weit aufgerissenen Kiefer. Hirst – Hai, ah ja! Ringsum großzügig, fast kindlich fröhlich lustvoll verteilte Schmetterlinge, wiewohl billig mit Schablone aufgeklatscht in Mono-Weiß, -Gelb, -Rot oder -Blau. Letztlich auch: ah, ja! Aber diese malerische Reduktion, dieser Abklatsch – das ist kühn bis frech, ungeniert ungenial. Statt Papagei wird alternierend öfter auch die schwarz-weiß gefiederte Elster positioniert, einmal ist sogar eine echte Feder in die Pastosität der Farbe eingepresst. Zitrone, Orange, Muschel, Krug, Wasserglas, Schere, Totenkopf (ja, klar!) auch diverse Präparate von Mißgestaltungen – als Überhöhung des Nature Mort-Themas – variieren in den Bildkompositionen, ergeben einmal eine kontemplativ-unbeschwerte, dann eher eine makabre, düster-abgründige Stimmung. Des öfteren legt Hirst einen weißen Punkt-Raster-Vorhang über die Sujets als eine eigene Bildebene; ah ja! Neben wiederkehrendem (dunkel)blau gestreiften Hintergrund fügt der Neo-Maler auch bisweilen gläsern-weiße Linienkonstruktionen ins Bildgeschehen ein: Käfigartig / kristallin stülpen sie sich wie eigenständige Normungen den Bildobjekten über oder schieben sich dazwischen. …und zuletzt verhauchen die Blüten ihr Dasein in nebulosem Gepinsel in Zartrosa, weit weg von sfumato (falls es das jemals hätte sein sollen). – Ja, da ist ein Maltrieb, eine befreite Mallust am Werk, ebenso Geschick, nicht immer Meisterschaft. - Ja, da ist auch Kalkül hineinverpackt als Selbstreferenzialität im Zirkelschluss der Sujets. Und ja, da wird auch gezielt mit Emotionen gespielt: “Jeder fürchtet sich vor Haien und vor Glas, jeder liebt Schmetterlinge.” *) bzw. direkt auf den Tod bezogen: “Nur die Malerei kann einen denken lassen, dass der Tod nicht existiert. Das ist Grund genug ein Bild eines toten Vogels zu malen. Er wird auf jeden Fall in einem Bild wieder lebendig.“ *) Spannend, diese Serie von ca 40 Bildern, von der ein Teil nun erstmals in Österreich gezeigt wird, hat schon 2012 Schlagzeilen gemacht, nämlich als sie zum ersten Mal in der Galerie White Cube London das Licht des Kunstöffentlichkeit erblickte – und zwar heftigst negative Schlagzeilen. Die Statements reichten von “the arrogance and stupidity of Hirst’s still live paintings” (Jonathan Jones) über Zu-wenig-das Malen-geübt-Haben, zu Mitleid angesichts dieser Bilder und deren Peinlichkeit bis zum Vorwurf, eben doch immer konzeptuell zu sein. Und sie hatten recht. Die pure Umgebung des White Cube fungierte wie ein Spiegelkabinett, die Bilder waren sich selbst ausgeliefert, mit ihrem knappen Repertoire an Sujets, der halbseidenen Malweise, mal größer, mal kleiner, meist hoch, selten quer im Format. Ist es also mutig/selbstbewusst oder eher ignorant, sowohl von Fuchs als auch Rainer als auch Hirst (zur Erinnerung: “… as long as they spell my name right I don't mind.”), sich dem Urteil erneut zu stellen? – Rudi Fuchs hatte 1982 Arnulf Rainer zur documenta 7 eingeladen (für Rainer die dritte Teilnahme an einer documenta) und stellte eine Serie von Fingermalereien aus. Über diese Zeit – Hirst war grade mal 17 Jahre alt - äußert dieser sich folgendermaßen: “In den 80er Jahren war die Malerei nicht gerade in Mode. Ich wollte immer ein Maler sein, aber ich habe damals nicht an die Relevanz der Malerei geglaubt. Ich habe mich vor dieser Leidenschaft versteckt, und habe sie sogar verleugnet. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas Stärkeres brauchte, um die Tür der Kunstwelt zu durchbrechen.” *) und setzt noch eins drauf: “Die ganze Geschichte der modernen Kunst ist ein erfolgloser Versuch sich der Malerei zu entledigen. … Das ist der wirkliche Skandal heutzutage ein Maler zu sein. Es geht nicht darum, wie gut oder schlecht meine Bilder sind. Es geht nur um das Malen selbst.” *) – Das ist nun einerseits der Brückenschlag zu Rainer, anderseits der Reibungspunkt. Und diese gespannte Annäherung macht die Ausstellung gelungen. Wobei auch die vielgliedrigen Räumlichkeiten des Hauses auf eigene Weise dazu beitragen, dass die Arbeiten bestens zur Geltung kommen. PS: Ein Verdacht zum Hirst-Bashing schleicht sich zudem ein. Es wird auf der sachlich/fachlichen Ebene über seine Malerei nach klaren Kriterien ge-/verurteilt. Aber der eigentliche Skandal dürfte sein, dass Hirst sich die Freiheit nimmt und drauflosmalt. Dass er total uncool, fast kitschige, nämlich höchst ästhetische Motive hernimmt, sie weder überstilisiert, noch überinszeniert, aber auch nicht verhunzt oder lächerlich macht, sondern ihnen eine relativ ruhige, facettenreiche Aufmerksamkeit schenkt – und das berührt auf einer ganz anderen Ebene. -- *) Zitiert aus Gespräch zwischen Damien Hirst und Francesco Bonami. Ursprünglich erschienen in 'Two Weeks One Summer' White Cube and Other Criteria, London 2012, Seiten 75 - 91

Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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Damien Hirst / Arnulf Rainer - Durcheinander / Commotion
25.04 - 05.10.2014

Arnulf Rainer Museum
2500 Baden, Josefsplatz 5
Email: andorfer@arnulf-rainer-museum.at
http://www.arnulf-rainer-museum.at
Öffnungszeiten: Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr


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