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Öffentliche Rituale - Kunst/Videos aus Polen: Der Künstler darf alles

Sie machen schon neugierig, die nackten Soldaten, mit denen für die Ausstellung geworben wird. Da sieht man ein Videostill mit einigen Männern, die nichts anhaben als Stiefel, Waffe und Mütze, im Exerzierschritt eingefroren. Obwohl es nicht so geplant gewesen sein kann, erregt gerade dieses Foto ein paar Tage nach Beginn eines neuen Krieges im Irak nachhaltig Aufsehen. Der polnische Künstler Artur Zmijewski hat in der dazugehörenden, im Jahr 2000 entstandenen Videoarbeit einiges auf den Punkt gebracht. Normierte Verhaltensweisen wurden ironisch dekonstruiert. Was aber in der aktuellen weltpolitischen Situation fast noch wichtiger erscheint: Durch das Entkleiden der Soldaten macht Zmijewski deutlich, wie sehr die Illusion der Stärke an Symbole gebunden ist. Ohne Uniformen wird das bewaffnete Corps zu einer Ansammlung verletzlicher Körper. Körperpolitik ist nur ein Themenfeld der Ausstellung "Öffentliche Rituale - Kunst/Videos aus Polen". Die beiden anderen untersuchen die Medienrealität und die Realität des Kunstbetriebs. Die durchwegs jungen polnischen KünstlerInnen gehen an ihre Themen performativ heran. Meistens gelingen ihnen Arbeiten, deren visuelle Qualität mit dem inhaltlichen Anspruch Schritt halten kann. Die Ausnahme ist Julita Wójciks Video "Kartoffelschälen". Erstens ist es pathetisch und zum Sterben langweilig und zweitens erschließt sich die Tatsache, dass es sich um die Aufzeichnung einer Performance der Künstlerin an einem Kunst-Ort handelt und die sich daraus ableitende Bedeutung, nur über Information von außen. Viel besser dagegen wird die Gleichung von Form und Inhalt in den Arbeiten des Künstlerpaares Bergamot gelöst. Mit Performances an öffentlichen Orten thematisiert das Paar den Gewaltaspekt des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern, indem es einmal die Kommunikation auf gegenseitiges Ohrfeigen während des Essens in einem Lokal reduziert und sich das andere Mal minutenlang gegenseitig am Verlassen eines Raumes hindert. Fein sind auch die meisten anderen Arbeiten. Anna Niesterowicz bat drei weibliche Teens, das Körperalphabet des Hip-Hop vorzuführen, das sie ohne Musik, dafür mit Untertiteln zu einem "Text" zusammen schnitt. Kuba Bakowski produzierte virtuelle "Spielzeugtauben", indem er die Tiere filmte und ihre Bewegungen sich mit dem Auftauchen eines Batterie-leer-Symbols am Bildschirm verlangsamen lässt, bis sie ganz stehen bleiben. Und die Gruppe Azorro spielt mit der Stellung des Künstlers. Eine ihrer Arbeiten fragt provozierend "Ist dem Künstler alles erlaubt?". Solange es so ironisch bleibt, ja.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Öffentliche Rituale - Kunst/Videos aus Polen
22.03 - 25.05.2003

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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