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Futurismus - Radikale Avantgarde: Im Bett mit der Zukunft

Unbefangene müssen zunächst den Eindruck gewinnen, der Futurismus sei eine Strömung der Malerei gewesen, eine Art dynamischer Kubismus aus Italien. Einige ganz berühmte Arbeiten fehlen freilich; mit Umberto Boccionis "Entwicklung einer Flasche im Raum" und "Urformen der Bewegung im Raum" sind allerdings zwei zentrale Werke zu sehen, und auch die gezeigten Arbeiten Giacomo Ballas entschädigen für das Fehlen des berühmten vielbeinigen Dackels. Dazu kommt vieles seltener Gezeigte, etwa Luigi Russolos großartiges Bild "Die Revolte", das Prinzipien des Plakats in die Malerei übernimmt, oder seine psychedelischen "Lichter + Häuser + Himmel". Befremdend dagegen, wenn Gino Severini 1959 ein 50 Jahre zuvor entstandenes, verschollenes Bild nachmalt: Nostalgie der alten Wilden oder Geschichtsklitterung? Daneben steht der dynamische Radfahrer auf Fortunato Deperos Wandteppich "Modernità" für die unorthodoxe, selbstironische Haltung, die die zweite Futuristengeneration gegenüber der protofaschistischen Burschenschaft rund um Filippo Tommaso Marinetti so sympathisch macht. Mehr davon gibts hinten: neben Deperos Bühnenbild für Strawinskys "Chant du Rossignol" onomatopoetische Zeichnungen der Brüder Cangiullo, architektonische Entwürfe von Antonio SantElia (hier fehlt allerdings Mario Chiattone), Fotografien von Anton Giulio Bragaglia und Standfotos aus "Thais": Der futuristische Film entstand erst 1917, nachdem man sich lange gegen das neue Medium (wie auch gegen das nicht ganz so neue der Fotografie) gewehrt hatte. Ganz hinten, vor einer Wand voll Manifeste, benutzbare Nachbauten von drei "Intonarumori", riesigen Holzkästen mit Trichtern, denen mittels Hebel und Kurbeln knatternde, rülpsende und scheppernde Geräusche entlockt werden können. Russolos Lärmsinfonien schlugen das Publikum von 1913 schnell in die Flucht. Dasselbe tat Mussolini mit dem Antifaschisten Russolo, der 1927 nach Paris zog. In Italien reichte es zu dieser Zeit nur noch zur "futuristischen Küche".
Mehr Texte von Iris Meder †

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Futurismus - Radikale Avantgarde
07.03 - 29.06.2003

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