Werner Reiterer: Ego - Subkutan: Zug fährt durch!

Werner Reiterer mag Kunst die in der Gesellschaft ankommt und dort ihre Wirkung entfaltet. So „parkte“ er im Jahr 2013 ein Auto auf dem Hauptplatz der steirischen Gemeinde Leibnitz. Allerdings war der Kleinwagen zuvor passgenau mit 60 km/h in einen Betonblock gekracht und die Installation auf dem für den Autoverkehr immer wieder umgestalteten Platz war von einer klassischen Unfallsituation kaum zu unterscheiden. Autos sind in unserer Gesellschaft mit hohen Emotionen belegt und so war es kein Wunder, dass die Wogen in der Diskussion um das Kunstwerk hoch stiegen – bis das Auto endgültig in der Nacht abgefackelt wurde, eine Reaktion, die Reiterer als Bestätigung seiner Intentionen sieht. In Köln fährt seit kurzem ein Geisterzug durch die Station Heumarkt der dortigen U-Bahn. Ganz wie es sich gehört, bleibt der Zug aber unsichtbar, lediglich der Sound der vorbeirauschenden Waggons ist mittels komplexer Toninstallation täuschend real zu hören. Ein Mal pro Nacht, zwischen 20 und 24 Uhr schickt die Software den Zug auf die Reise und die Gerüchte um die geisterhafte Erscheinung sind mittlerweile so dicht geworden, dass die Kölner Verkehrsbetriebe angefragt haben, ob man den Zuggeist nicht doch wenigstens vier Mal täglich wecken könne. Ganz so gespenstisch geht es in der aktuellen Ausstellung von Werner Reiterer in der Galerie Krinzinger nicht zu. Das veritable Gewitter, das im Inneren des Wohnwagens im großen Ausstellungsraum zu toben beginnt sobald man sich diesem nähert, lässt die BesucherInnen aber erstmal den Kopf einziehen ob der Wucht der häuslichen Auseinandersetzung, die da im Urlaubsdomizil abläuft. Seine eigene Aggression kann man dafür vor einem Schrank mit Glastüren und Vorhängen loswerden. „Schreien Sie, so laut Sie können“ steht auf dem mit „Mutter“ unterzeichneten Zettel auf der Glastür und wer die nötigen rund 100 Dezibel erreicht, wird mit heftigem Stöhnen belohnt, das dem Unmut über ein solch unerlaubtes Benehmen Ausdruck verleiht – die kecke Lampe auf dem Kasten setzt dem dann noch eins drauf. Werner Reiterer ist so etwas wie der Kabarettist in der zeitgenössischen Kunstszene. Der Humor in seinen Installationen und Zeichnungen ist für ihn ein Weg, die BetrachterInnen auf einer ersten Ebene zu erreichen, erst bei näherer Betrachtung und Überlegung bleibt einem das Lachen im Hals stecken bzw. wird der oft komplexe gesellschaftliche Zusammenhang klar. So wie bei den Zeichnungen zu (allesamt unrealisierten) Projekten im öffentlichen Raum. Da schwebt eine überdimensionale Statue von Karl Marx am Kran über einem Platz in Leipzig. Die digitale Sprechblase vor seinem Mund hätten die BürgerInnen per SMS mit eigenen Botschaften bespielen können – eine Form der öffentlichen Beteiligung und der Möglichkeit, Geschichte weiter zu schreiben, die den AuftraggeberInnen dann doch zu demokratisch war. Aber wenn Werner Reiterer eines seiner vielen eingereichten Projekte verwirklichen kann, dann schafft er es immer wieder nicht nur die vordergründig Kunstaffinen zu erreichen, sondern einen Funken in der Gesellschaft zu zünden, der dann subkutan weiterglimmen kann.