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Kartause für Kampfkläffer

Europas größtes Tierheim steht im äußersten Osten Berlins. Die Anreise führt durch endlose Weiten sozialistischen Städtebaus, die Lichtenberg, Marzahn und Hohenschönhausen heißen. Wo die Plattenbauten in Kleingärten und Reiterhöfe übergehen, finden sich Menschen mit suchendem Blick zu einer lockeren Prozession zusammen, die zuerst ein kreisförmiges Schulgebäude für das Tierheim hält, dieses aber dann doch findet. Diagonal führt ein weiter, offener Eingangsbereich auf das Gelände; etwas verstörend ist nur der munter rauchende Kamin am Rand der Anlage. Das flache, weitläufige Geviert aus Sichtbeton-Umfassungsmauern signalisiert klosterähnliche Abgeschlossenheit, die jedoch südwest- und damit stadtseitig in eine Arkatur aus durch Pfeiler getrennten volierenartigen Käfigen aufgelöst ist. Hier residieren äußerst gemütlich die Katzen, nach Südosten Vögel und Kleintiere. Der größte Teil des Areals ist den Hunden vorbehalten. In einem großen Kreis innerhalb der Anlage sind acht kleeblattförmige Kleinkreis-Agglomerationen angeordnet, in denen jedem Tier ein Segment zugeteilt ist. Die Zwickel zwischen den Kleeblättern und zwischen Hundezonen und Seitentrakten füllen Wasserbecken. Die einfache geometrische Gesamtform mit separierten Einzelbereichen lässt an das Schema von Kartäuserklostern denken. Ruhige, großzügige Horizontalität prägt die auf Erweiterung hin konzipierte Anlage ebenso wie die reduzierte Materialität des hellgrauen Sichtbetons und die Glasflächen von Empfangszone und Käfigen. Die Pfeiler im Katzentrakt werden durch die Halbierung der Kapitelle ähnlich wie in Axel Schultes Krematorium zu Oberlichtern. Licht- und Schattenspiele liefern auch die Spiegelungen der Wasserflächen. Die meditative Ruhe der Architektur teilt sich indes wohl mehr den Besuchern mit als den hier infolge verschärfter Haltungsregeln zahlreich internierten Kampfhunden. Die unterlaufen Bangerts zenbuddhistischen Purismus mit penetrantem Gekläff. Dietrich Bangert, Tierheim Berlin, Hausvaterweg 39, Berlin-Hohenschönhausen
Mehr Texte von Iris Meder †

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