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Kunst als Marke - Marken als Kunst

Das Kollateralprogramm der ABMB Endlich ist Miami zu der Partyzone geworden, die zu sein man der Stadt immer unterstellt hat. Mittlerweile überwiegt die Zahl der Kollateralevents, die das Datum der Art Basel Miami Beach als bloßen Anlass nehmen. Jede Boutique-Eröffnung und Präsentation einer neuen Handtaschen-Kollektion wird als presseträchtiger VIP-Event abgefeiert, der es locker mit der Präsentation des von Jeff Koons gestalteten neuen BMW Art Cars oder der vom Uhrenhersteller Audemars Piquet ermöglichten Riesen-Installation des Künstlerduos Kolkoz aufnehmen kann. Längst haben die internationalen Luxusmarken den Ball aufgenommen, den die Schweizer vor elf Jahren an den Strand von Miami Beach geworfen haben. Unter den bisherigen Teilnehmern erfreuen sich die neuen Mitspieler unterschiedlicher Beliebtheit. Mit dem Kampf um Raum und Aufmerksamkeit sind auch die Preise gestiegen. Manche Kunstinitiative kann da nicht mehr mithalten. Paul Hodge, der mit seiner Londoner Hales Gallery und einigen Kollegen bisher die Pop Up Show "Seven" im Wynwood District veranstaltet hat, ist jetzt zum ersten Mal bei Untitled, einer in ihrer zweiten Ausgabe leider recht mediokren neuen Strandmesse. Das bisher genutzte Gebäude kostet jetzt statt der ursprünglichen 7.000 Dollar in der Woche nun 35.000. Das lohnt sich beim besten Willen nicht mehr und die sieben Galerien gehen jetzt wieder getrennter Wege. Auf der Untitled hatte Hales schon zur Voreröffnung vier Arbeiten von Hew Locke verkauft, alle an neue Kunden. "Sehr viel Südamerikaner sind hier, von denen wir die meisten nicht kennen. Deswegen macht man doch Messen, um neue Kunden kennenzulernen", erklärt er. Das ist gar nicht mal entschuldigend gemeint, mit Blick auf das Umfeld, in dem er hier ausstellt. Ansonsten präsentiert sich die Messe ziemlich bunt, allerdings nicht so schlimm wie die Scope. Die fühlte sich wohl von dem Trubel, der mittlerweile im Wynwood District in Miami herrscht, so marginalisiert, dass sie ihr Zelt jetzt neben Untitled aufgebaut hat. In Miami, nahe des Design Districts, hat mittlerweile die Art Miami eindeutig das Sagen. Die Veranstaltung nimmt nicht nur die Refüsierten der ABMB auf, sie hat es auch verstanden, das einheimische Publikum an sich zu binden und den Eventcharakter der Woche perfekt zu bedienen. Der gewaltige Zuspruch von 13.000 Besuchern allein zur Eröffnung am Dienstag spricht für sich. Die Bandbreite des Gebotenen bedient wirklich jeden Geschmack und jeden Geldbeutel. Neben Schrillheiten, wie dem Street Art-Künstler Herr Nilsson, der auf der Eröffnung Cindy Crawford eines seiner Werke überreichte, gibt es kapitale Kunst, wie ein Gemälde von Max Ernst bei Die Galerie aus Frankfurt am Main für 1,2 Millionen Euro. So kommt, dass sich die Wiener Galerie Ernst Hilger am gleichen Tag über den Verkauf von drei Wandobjekten von Mel Ramos zu je 25.000 Dollar und den Wettbewerb zweier Museen um eine große Installation von Angel Marcos freuen kann. Auf der Strecke bleibt ein wenig die Pulse, die - mittlerweile - etwas abseits in Miami liegt und in der jetzigen Form und Ausrichtung wohl keinen Bestand haben wird. Zu viele Galerien sind ihr abtrünnig geworden und zu verwässert ist das Konzept inzwischen. Ursprünglich sollte die Messe mid career artists von internationalem Niveau vorbehalten sein. Die Lücken der Abgänger zu Art Miami, Miami Project (seit letztem Jahr direkt neben Art Miami) und Untitled wurden aufgefüllt mit Mittelmäßigem und Kunst aus zweiter Hand. Die verbliebenen Alt-Aussteller wie Conrads (Düsseldorf), Kuckei und Kuckei, Wagner und Partner, Thomas Taubert (alle Berlin) oder Patrick Heide (London) und Pablo's Birthday (New York) freuen sich zwar über gute bis sehr gute Umsätze, die ihnen internationale Sammler bescheren, besonders wohl fühlen sie sich in dem Umfeld jedoch nicht. Das ist ganz in anders bei der Nada. Die Messe der gleichnamigen Galerienvereinigung liegt im Norden von Miami Beach ebenfalls weitab vom Schuss. Das hindert die Sammler jedoch nicht daran, der Hotelanlage aus den 60ern alljährlich einen Besuch abzustatten. Denn hier stimmt das Konzept: junge Kunst zu vertretbaren Preisen und strenge Auslese. Linn Lühn aus Düsseldorf meint: "Hier ist jeder Tag wichtig. Deshalb stehe ich hier jeden Tag bis 20 Uhr." Für sie hat sich die Messe schon zur Eröffnung gelohnt . Nach einer Stunde war eine große Wandarbeit von Florian Baudrexel für 20.000 Dollar an einen Sammler aus San Francisco verkauft. "Du weißt, dass eine Messe gut ist, wenn Aussteller sich gegenseitig etwas abkaufen", erklärt Augusto Arbizo von Eleven Rivington aus New York. Er hat seinen Kollegen vor der Eröffnung drei Arbeiten abgenommen. Zum Gruselkabinett entwickelt sich hingegen die Adoptivtochter der Muttermesse, die Design Miami. Kitschige Inneneinrichtung und Kunsthandwerk haben die Veranstaltung übernommen, die ursprünglich eher als Labor und Diskussionsplattform für die Design-Avantgarde propagiert wurde. Vielleicht ist das alles aber auch nur ein Missverständnis und beruht auf einer unterschiedlichen Vorstellung von Design in Europa und den Amerikas. Während das Abendland mit Design meist immer noch Ideen und deren Umsetzung meint, wird Design in der Neuen Welt eher als Objektwerdung von Marke verstanden. Bände spricht in diesem Zusammenhang, dass John Baldessari eine Installation für den in Abriss und Wiederaufbau befindlichen Teil des Design District des Immobilienmagnaten Craig Robins kreieren wird. Er wird die Fassade eines Parkhauses gestalten, auf der Seite, die vom Highway aus zu sehen ist, als riesiges Billboard quasi. Kunst als Marke, Marken als Kunst - so muss man sich wohl die Zukunft à la Miami vorstellen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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