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Curated by_?

Großes Fragezeichen am Anfang. Das Brainstorming kreiste um Malerei als inhaltlicher Schwerpunkt von curated by_Vienna 2013 und wurde schließlich theoretisch von Chefkuratorin Eva Maria Stadler umgemünzt in die Frage nach der Stellung / Rolle / den Ausdrucksweisen der Malerei in der gegenwärtigen Kunstproduktion: Why painting now? Die Antworten und Ausstellungstitel der Galerien sind entsprechend vielfältig. Ganz „im Sinne des Erfinders“ – departure. Die Kreativagentur der Stadt Wien - wurden in der Charim Galerie neue Fäden geknüpft zu Kurator Gürsoy Dogtas (D). Für die Ausstellung bezog er sich konzeptuell auf Sigmar Polkes Schimpftuch aus dem Jahr 1968, einer Zeit also, wo die Malerei an ihrem Tiefpunkt bzw. Ende angekommen zu sein schien. Die Leinwand quasi vom Rahmen gerissen, zum Ausdrucks-starken Schultertuch umfunktioniert und zur stolzen Pose erhoben. Mit diesen Elementen spielt gleichsam Dogtas, wenn er Birgit Megerle präsentiert, die aus der rohen, ungebleichten Malerleinwand schlichte Kleider näht und in der S/W-Skala bemalt. Der junge Tiroler Wolfgang Wirth, der seit kurzem in der Galerie vertreten ist, passt mit seinen stilisierten Referenzen an Quilt, Kimono, Kleid, Ornamentzitaten gut ins Konzept. In seinen Bildern lässt die Malerei, oft in feinen streifigen Linien aufgetragen, wie Reihe für Reihe gewebt, trotz der Grundierung noch die Struktur des Gewebes klar erkennen – und von der Wand gelöst im Raum positioniert geben sie auch ihre nackten Leinwand-Rückseiten preis. Großflächig und Raum greifend drapiert Judith Raum ihre bemalten/bedruckten Stoffbahnen, deren tieferer, kritischer Konnex in der Geschichte der Baumwollproduktion im Vorderen Orient bzw. dem Bau der Bagdadbahn zu Beginn des vorigen Jahrhunderts liegt. Das künstlerische Ansinnen, „Stoffe … in beredte Medien zu verwandeln“ (John Dewey) reizt auch Dogtas bei seiner Ausstellung „Das Kleid passt nicht“. Auch Franklin Melendez, der Kurator für Galerie Andreas Huber, interpretiert das Malerische stark an den Farbträger gekoppelt, was ihn gewissermaßen auch zu Künstlern führte, bei denen das Textile als Medium an Bedeutung gewinnt, insbesondere bei Liam Everett. Der Künstler behandelt seine Objekte einerseits mit Acrylfarbe oder Tinte, „traktiert“ sie aber anderseits auch mit Meersalz, Zitronensäure oder Alkohol, wobei ihn die dadurch entstehenden Farbänderungen, Ausbleichungen an den vorprogrammierten Stellen interessieren. Mit seinem Ausstellungstitel Dress Rehearsal (Generalprobe) verweist er aber durchaus darauf, dass es eben nicht um Malerei an sich geht, sondern um malerische Inszenierungen oder Effekte, die sich aus anderen Prozessen ableiten. Weitere Arbeiten in diesem Sinn sind zu sehen von N. Dash und Dashiell Manley. Die Frage, wer kuratiert, stellte sich bei Krinzinger Projekte in spezieller Weise, da er/sie nicht nur die Themenfrage Why Painting Now? unter einem gewählten Aspekt behandeln sollte, sondern auch Ursula Krinzingers neues Konzept Collectors Curators Collaboration (kurz: CCC) verwirklichen sollte. Die Wahl fiel optimal auf Antony Hudek, Kurator der Tate Liverpool, der sich mit großem Engagement daran machte, die Werke von acht Sammlungen im Schnelllauf zu sichten und bereits sein Konzept zu spinnen: Cover Up (siehe die artmagazine Kritik) – quasi eine charmante Aufdeckergeschichte über Malerei im Sold des Kapitals (Gemälde als Wert an sich oder als Wert steigerndes Objekt), der persönlichen Strategien, Konzepte (und Eitelkeiten), nobler ausgedrückt als Subjektivität und dem Mythos der Abstraktion, die das Werk gern in die Nähe der Transzendenz, des absolut Puren, wenn nicht gar Numinosen rücken will, dennoch ein handfestes, marktfähiges Ding meint. Als Exempel die Anordnung von Elaine Sturtevants Flowers-Imitation von Andy Warhol neben dem Arrangement der realen Situation der Wohnung eines Sammlers. Dort hängt unmittelbar neben dem Fenster – die gemusterten Vorhänge sind stellvertretend adaptiert – das große Foto einer wohnlichen Ecke in Andy Warhol’s Factory, das Marilyn-Bild Warhol’s ist Bestandteil des Bildes und Rückkopplung zu Sturtevant - und die Aufnahme machte Society-Fotografin Marianne Sayn-Wittgenstein 1986. Besagter Vorhang eröffnet im Galerie-Setting den Blick auf einen Park, d.h. auf ein mit herzhaften Strokes gemaltes, großformatiges Ölbild von Erik Schmidt. Malerei, die lustvolles Tun ausstrahlt. - Rund 40 Positionen hat Antony Hudek ausgesucht, ein weites Feld an Aspektierungen. Etwa Eleanor Antins Video „Representional Painting“, in dem sich die Künstlerin schminkt (1971, s/w!), zu dem der Cover-Up-Kurator anmerkt, es wäre gleichsam „the struggle of painting to make sense by itself“ – wäre das nicht die Antwort auf die Generalfrage? Eine Art „Abschminken“ lieferte William Mackrell als Eröffnungsperformance, indem er die Worte Why Painting Now mit kräftigem Lippenstiftrot auf die Wand küß-murmelte. Und das Karomuster des Wolldecken-Bildes von Merlin Carpenter würde auch zu Charim/Dogtas/Dewey passen: Stoff als beredtes, signifikantes Medium. Aber was ist von dem Gebotenen in der Galerie Raum mit Licht zu halten? Die Galeristin hatte ihre Wunsch-Künstlerin Imogen Stidworthy - bekannt für ihre Videoarbeiten und die Beschäftigung mit der menschlichen Stimme - bereits zum Wunschtermin von Viennafair und Curated by_ fixiert und der Kurator wurde von der Künstlerin zusätzlich/nachträglich „eingeladen“. Eine nette Geste, aber denn doch verkehrte Welt und dazu eine ziemlich dünne Argumentationslinie, was das mit Aspekten von Malerei zu tun hat. Großes Fragezeichen zum Schluss.
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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