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5. Moskau Biennale: „Bolshe Sveta“/More Light - Erhellende Momente

Das Budget der Moskau Biennale liegt bei knapp 2,5 Millionen Euro, ein Drittel davon kommt von privaten Sponsoren, der Rest von öffentlichen Geldern. Ambitionen des Biennale-Direktors Joseph Backstein, dem in der Moskauer Kunstszene der Ruf eines Kunst-Oligarchen vorauseilt, mit der 5. Moskau Biennale durch verstärktes Einbeziehen afrikanischer, asiatischer und australischer KünstlerInnen an internationale Trends einer „Global Art“ anzuschließen, werden konterkariert durch Menschenrechte einschränkende behördliche Vorgehensweisen gegen politische Aktivismen russischer KünstlerInnen. Auswirkungen von Netzwerk-Kulturen auf Lebensräume, Phänomene eines transnationalen Nomadismus, Folgen einer ökonomischen Globalisierung, die Hinterfragung der Behauptung einer „Gegenwarts-Weltkunst“ und die Popularität einer Universalisierung von Kunstbegriffen bilden thematische Ausgangspunkte der 5. Moskau Biennale. Neben dem unschlüssig wirkenden Titel „More Light“ veranlassen diese dazu, darüber nachzudenken, worin die Ursachen für die derzeitige Beliebtheit einer „Global Art“ liegen, die sich häufig mit dem Versuch einer Selbsthistorisierung mischt. Gleich direkt gegenüber dem Kreml befindet sich mit der „Manege“ – einer ehemaligen Reitschul-Paradehalle – der zentrale Hauptaustragungsort der 5. Moskauer Biennale. Von der belgischen Kuratorin Catherine de Zegher wurden 70 KünstlerInnen wie Eija-Liisa Ahtila, Umida Akmedova, Mona Hatoum, Andrea Bianconi, Yona Friedman oder Irina Zatulovskaya aus 40 Ländern eingeladen, dafür Werke zu produzieren. Das Gebäude bietet über drei Etagen Raum für weitläufige Installationen. Während der Eingang paraventartig durch großformatige, kitschige Landschaftsbilder abgeschirmt ist und diese eine Art Schleuse bilden, eröffnet sich dahinter eine großzügige Halle. Strukturiert wird das Display durch eingebaute Wände, die – wie der Blick von oben zeigt – abstrakte Zeichen setzen. Bezüge zur russischen Moderne und deren Ikonen wie das Schwarze Quadrat von Malewitsch bilden den Subtext der 5. Moskau Biennale. Unter der Decke schwebt ein Zeppelin des Künstlers, Ingenieurs und Erfinders Panamarenko. Installative Arbeiten, die stark auf ein nomadisches Leben anspielen und das ökonomische Gefälle zwischen kapitalistischem Überfluss und materieller Not aufgreifen, vermitteln eine Aufbruchsstimmung. Am Ende der Halle befindet sich die „White Canvas“- Installation einer als Kollektiv auftretenden, anonym bleibenden Gruppe von KünstlerInnen, die sich der modernistischen Reduktion der weißen Leinwand bedient, um damit ein Signal für die auch nach den Demonstrationen 2012 andauernde Politisierung der russischen Kunstszene zu setzen. Unter der Oberfläche dringen im Ausstellungs-Kontext machtkritische Stimmen durch. Das abgedunkelte Untergeschoß gestaltet sich zu einer Aneinanderreihung von Videoprojektionen. Das Video “The Seaman“ von Bouchra Khalili wurde im Hamburger Hafen gefilmt, einem der größten der Welt. Die Filmsequenzen zeigen die Einspielungen von menschenleeren Hafen-Aufnahmen. Eingespielt als Voice-Over erzählt ein junger philippinischer Seemann über seine persönlichen Erfahrungen mit der internationalen Transportindustrie. Direkt spricht er über seine menschliche Isolation während der Monate auf See und seine Beziehung zum Begriff eines „Nachhause“. Die Projektion „Top Goon - Diaries of a Little Dictator“ des Medien-Künstlers Masasit Mati zeigt eine via Web veröffentlichte Serie, die sich in der Darstellung durch Finger-Holzpuppen verschiedener Mitteln der politische Satire bedient, um gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und sein Regime zu protestieren und dessen Gegner mental zu unterstützen. Im November 2011 ging die Serie online.13 Episoden von 6 Minuten wurden auf YouTube geladen und durch Facebook und Twitter promotet. 180.000 Menschen sahen die Serie und es gab fast eine Million Facebook Zugriffe. Masasit Mati verwendet die Satire und Parodie als Mittel zur Kritik gegenüber totalitärem Denken. Einen medialen Transfer unternimmt die ägyptische Künstlerin Farideh Lashai. Sie reproduzierte für ihre Installation 80 Werke aus Goya`s Radierungen „Die Schrecken des Krieges“ (1810-1814). In ihren Reproduktionen löscht sie die blutenden Körper aus dem Bild, die durch eine punktuelle Einblendung von Animationen als bewegte Körper wiederkehren. Wie der Luftballon in Charlie Chaplins Film „The Great Dictator“ von dem eine Szene gegen die Wand projiziert ist, schwebt der kreisförmige Lichtspot durch den Raum. „When I Count...“ reflektiert die humanitäre Funktion kollektiver Erinnerung und ihr Verhältnis zur historischen Erinnerung. Zum umfassenden international ausgerichteten Parallelprogramm der Moskau Biennale an Orten wie Artplay, Roter Oktober, Winsawod oder Garage zählt auch die von Vladimir Lagutov im Moskauer Museum kuratierte Schau „Nothing of the Kind“ mit russischen KünstlerInnen an der unter anderen Allisa Yoffe, die ZIP art group, Sveta Shuvaeva oder Irina Tsykhanskaya teilnehmen. Zur Eröffnung wurde auch gleich Joseph Backsteins Geburtstag mit üppiger Cremetorte gefeiert. Hervorsticht am Setting dieser Ausstellung eine Lust am Experiment mit verschiedenen Medien und an der Hinterfragung wie der Ausstellungsort selbst temporär zur künstlerischen Produktionsstätte wird. Was allerdings trotz Ausformulierung eines Konzeptes, das von neuen kulturellen Codes ausgeht, in dieser Parallel-Ausstellung völlig fehlt, ist kritische politische Kunst.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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5. Moskau Biennale
19.09 - 20.10.2013

Moskau Biennale
101000 Moskau,
http://2nd.moscowbiennale.ru/en/


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