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Österreichische Riviera - Wien entdeckt das Meer: Wien liegt am Mittelmeer

In Abwandlung des berühmten Gedichts von Ingeborg Bachmann „Böhmen liegt am Meer“ - kann sich der Besucher der Sonderausstellung „Österreichische Riviera“ im Wien Museum Sinneseindrücke von der nördlichen Adria der Jahre 1890 bis 1914 holen. Die sogenannten „Österreichsche Riviera“ reichte von dem italienischen Luftkurort Grado bis über Triest hinunter nach Rijeka.(1) Bis dorthin konnte man ab 1873 bequem mit der Südbahn reisen. Es gab Schlafwagen Coupes und jeglichen Komfort. Bereits 1857 verkehrte die Südbahn bis Triest. Die Umleitung des österreichischen Adels, weg von der französischen Riviera hin zur österreichischen Küste war politisch intendiert und erfuhr durch den Ausbau der Bahnstrecke in Istrien ihre Unterstützung. Von Rijeka weiter konnten die Reisenden mit Dampfschiffen die südlichen Regionen um Split/Spalato und Dubrovnik/Ragusa gelangen. Friedrich Julius Schüler, Generaldirektor der Südbahngesellschaft, ermöglichte und unterstütze die Erschließung der Region mit dem Bau eigener Hotels an der Küste. Schon bald wurde Abbazia/Opatije ein nobler Winterkurort. Dort ging man von der Überlegung aus, dem österreichischen Adel ein komfortables Überwintern an der Adria Küste zu ermöglichen. Die salzige Luft und das milde Klima wurden als gesundheitsfördernd entdeckt. In Grado, das sich auch auf die Gesundung tuberkulöser Kinder spezialisierte, packte man die Kurgäste in Schlamm. Während Grado in späteren Jahren mehr den Mittelstand beherbergte stieg in Abbazia die elegante Welt ab. Es gab einen Kursalon, ein Hotel Kronprinzessin Stephanie und eine Uferpromenade. Weibliche Künstlerinnen spielten im kulturellen Leben des Ortes eine gewisse Rolle. Allen voran die Malerin Stephanie Glax, Tochter des örtlichen Kurarztes, die Lithografien der Fischer, der Damen der Gesellschaft und der Meeresufer schuf. Die in Stil des Art Nouveau gehaltenen Blätter, sind Arbeiten auf der Höhe ihrer Zeit. Sie sind in der Ausstellung im Wien Museum zu sehen, gemeinsam mit Plein Air Malereien von Emil Jacob Schindler, Eugen Jettel und Egon Schiele. Letzerer hat 1908 eine kleine Barke im Hafen von Triest gemalt. Man hat, wenn man das Bild betrachtet, das Schwingen der Wellen und das Licht- und Schattenspiel unmittelbar vor Augen. Wie sehr dieses Kurleben ein Aufschwung der Eliten der Habsburger Monarchie war und keineswegs der lokalen Bevölkerung zu wirtschaftlichen Fortkommen verhalf, erfährt man in dem von Christian Rapp und Nadia Rapp-Wimberger herausgegebenen umfangreichen Katalog. Die Ausstattung der Zimmer kam aus Wien, ebenso wie die Wäsche, die Zahlkellner, die Friseusen, die Ärzte und Architekten. Sogar das täglich frische Gebäck wurde aus Wien geliefert. Die örtliche Bevölkerung wurde nur zu Hilfsdiensten herangezogen. Auch das Nationalitätenproblem - kurz vor dem Krieg wohl zum Greifen nahe, wurde von der Aristokratie ignoriert. Die Machtkämpfe zwischen slawischen, meist weniger gebildeten, einfacheren Leuten und dem italienischen Bürgertum waren damals in der Monarchie sichtlich spürbar. In Abbazzia blieb man aber unter sich. Die Ausstellung im Wien Museum verweist auch noch auf das Projekt Paul Kuppelwieser, eines ehemals Industriellen der weite Teile der Insel Brioni kaufte und sie zu einem eleganten Ferienparadies umgestalten ließ. Das Projekt blieb unvollendet. Kuppelwieser schrammte immer wieder am Ruin entlang. Dennoch entstand ein denkwürdiger Ort, der auch später immer wieder als elegantes Feriendomizil besucht wurde. Marschall Tito ließ sich dort eine Dependance bauen, die er bis zu seinem Tod (1980) beibehielt. Alles in allem ist diese Adria Ausstellung des Wien Museums ein wenig eine nostalgische Rückschau auf den verlorenen Glanz einer Epoche. Aber sie verheimlicht uns auch nicht die Schattenseiten dieses Ferienbooms. Viele von uns reisen nach wie vor mit unseren Familien von Wien aus an die Adria. Somit ist die italienische, istrische und dalmatinische Küste nach wie vor ein Sehnsuchtsort und ein kollektiver Gedächtnisspeicher von (Urlaubs)erinnerungen. Die Kontinuitäten leben also fort. Wenn auch gebrochen. -- 1) Später bezeichnete der Begriff „österreichische Riviera“ beinah die gesamte heute meist kroatische Küstenlinie.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Österreichische Riviera - Wien entdeckt das Meer
14.11.2013 - 30.03.2014

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


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