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Die Logik der Sammlung

3. Anmerkung zum Thema Schaudepot Mit dem jüngst eröffneten Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels ist das Prinzip des mittelständischen Unternehmers als Kunstsammler endgültig auch in Österreich angekommen. Analog zu der Vielzahl an entsprechenden Privatmuseen im süddeutschen Raum (1), ist das Museum Angerlehner nach dem Essl Museum in Klosterneuburg und dem Museum Liaunig in Neuhaus (Kärnten) bereits das dritte große Privatmuseum, das hierzulande aus Industrie- und Gewerbeeinnahmen finanziert und an einem entlegenen Ort etabliert wurde. Bemerkenswert ist an ihnen nicht nur die Genese und Situierung, sondern auch der Umgang mit der schieren Sammlungsmenge. Tatsächlich werden heute die meisten Privatsammlungen ja nicht nach ihren inhaltlichen Schwerpunkten oder der Qualität der gesammelten Werke bewertet, sondern nach Quantität. Deshalb seien solche Eckzahlen auch hier gleich angegeben: Das neue Museum Angerlehner umfasst rund 2.500 Werke, die Sammlung Liaunig rund 3.000 Werke, die Sammlung Essl über 7.000 Werke. Zum Vergleich: Die größte deutsche Privatkollektion ist die Sammlung Würth, die über 16.000 Werke umfasst. Die renommierte Sammlung Falckenberg in Hamburg kommt hingegen nur auf 2.000. Das Ranking nach Quantität ist allerdings gar nicht so sehr eine Zuschreibung von außen, sondern in einem gewissen Sinne sogar der Kern vieler moderner Sammlungen. Gerade Privatsammler vergleichen sich nicht nur untereinander gerne mit ihren schieren Werkzahlen, sie inszenieren diese auch oft baulich, indem sie ihre Bilder-Depots prominent zur Schau stellen. Der Ort, an dem dies meines Wissens nach erstmals drastisch praktiziert wurde, ist die Sammlung Falckenberg in der ehemaligen Phönixfabrik in Hamburg. 1994 wurde mit der Sammlung begonnen, der Umzug in die Fabrikhallen erfolgte 2001. Obwohl darin beachtliche 6000 m2 an Ausstellungsfläche genützt werden, ist das eigentliche Herzstück der Präsentation ein „offenes“ Lager: Gleich am Anfang des geführten Rundgangs betritt man nämlich eine Halle voller Schiebewände (circa 5000 m² Hängefläche), die „die Besucher frei bedienen und sich so Ausstellungen nach eigenem Wunsch zusammenstellen können“(2). Auch das 1999 eröffnete Essl Museum inszenierte sein Depot bereits auf besondere Weise: Aus den ersten Ausstellungräumen im Obergeschoss kann man dort in den darunter liegenden Vorraum der Depots blicken und deren gewaltige Dimensionen erahnen. Direkt zu sehen waren anfangs nur der Lieferverkehr und die riesigen Lagertüren, aber mittlerweile stapeln sich dort unten auch jede Menge Transportkisten und machen die nötige Logistik der Sammlung sinnfällig. Noch direkter ist das Thema Schaudepot allerdings im neuen Museum Angerlehner angegangen worden. Dort trifft man tatsächlich gleich beim Eingang auf eine rund hundert Meter lange Glasfront, hinter der sich ein Skulpturenlager und eine unendlich lange Reihe von Schiebewänden präsentieren. Einige der Wände sind zudem unterschiedlich weit herausgezogen – wie um zu zeigen, dass sie voll sind. Anfangs hielt ich diese Inszenierung für die metaphorische Vorführung des sprichwörtlichen Bauches, aus dem die meisten Sammler heraus ihre Kaufentscheidungen treffen – was später eben zu dicken Depots führt–, dann aber entdeckte ich doch noch einen Erkenntniswert, der erstaunlich war: Auf den gefüllten Schiebewänden hängt nämlich – platzsparend – alles kunterbunt über- und nebeneinander, also genau so, wie es Boris Groys einst als Essenz einer modernen Sammlung und zugleich auch der modernen Gesellschaft beschrieb: „Moderne Museen sind ihrer fundamentalen Beschaffenheit nach Sammlungen von heterogenen Gegenständen im homogenen Raum. Auch wenn diese Gegenstände nebeneinander hängen oder stehen, bilden sie trotzdem keine organische Einheit wie früher in der Kirche oder im herrschaftlichen Palast. Diese Abwesenheit der inneren organischen Einheit, diese unreduzierbare innere Heterogenität prägen nicht nur das moderne Museum, sondern auch die moderne Subjektivität als solche.“ (3) -- (1) Siehe Süddeutsche Unternehmer als Museumsgründer in der Provinz, 19.04.10 (2) So die Intention von Harald Falckenberg, beschrieben 2007 in einem Interview mit H.U. Obrist. (3) Boris Groys, Die Logik der Sammlung. Hanser Verlag, München 1997, S. 50.
Mehr Texte von Vitus Weh

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