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Der Graz-Effekt

Kunsthaus Graz, Blase und Schlossberg, Foto: Zepp-Cam. 2004/Graz, Austria Nein, schöner ist das Kunsthaus Graz in den letzten zehn Jahren nicht geworden. Älter ist es geworden, und es hat sich womöglich jene Rezeption durch Gewöhnung eingestellt, die Walter Benjamin taktvoll die „taktile“ nannte. Genau eine Dekade ist es her, dass Peter Cooks und Colin Fourniers Blase in die Feierlichkeiten der Kulturhauptstadt Europas platzte (zum Versuch einer architektonischen Kritik siehe meine Splitter im artmagazine-Newsletter vom 22. September 2003). Damit man sich das Organ geräumig von innen ansehen kann, geben sie dafür jetzt die ganze Woche freien Eintritt. An diesem Samstag schließt sich einen ganzen Tag dann noch Party an. Ausstellungsansicht Kultur:Stadt Kulturbauten von Bilbao bis Zeche Zollverein, 28.06.-20.10.2013, Kunsthaus Graz Foto: UMJ/N. Lackner Es spricht für das Selbstbewusstsein des Grazer Joanneum, dem das Haus unterstellt ist, dass sie sich mit einer Ausstellung feiern, in denen ihr Laden eher zwiespältig wegkommt. Matthias Sauerbruch, der zusammen mit Louisa Hutton weltweit agile Planer, hat unter dem Titel „Kultur:Stadt“ eine Revue von knapp 40 Architekturen zusammengestellt, die natürlich auch das Kunsthaus als Programmpunkt enthält. Sauerbruch Hutton ist unter anderem das Münchner Museum Brandhorst zu verdanken, der weiße Kubus mit seiner unverwechselbaren Fassade aus bunt glasierten Stäben, der nachhaltig vor Augen stellt, dass die Stadt nichts und der signaturhafte Bau alles ist. Das nämlich macht das Problem dieser Spektakelarchitektur aus: Sie lässt die Umgebung implodieren, die bestenfalls, wenn der Kulturtempel nur genügend Besucher anzieht, zur Plattform für Billig-Tourismus wird. Man kennt das ja vom Centre Pompidou, einer der Inkunabeln dieses Prinzips. Centre Georges Pompidou, Paris, 1977, Architekten: Studio Piano & Rogers, architects (Renzo Piano und Richard Rogers) | The Guggenheim Museum Bilbao, 1997, Architekt: Frank O. Gehry, Foto: David Heald, © The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York Dann gibt es da den Bilbao-Effekt. Eine ganze Region kommt besser weg, wenn ein Exponaten-Multi seine Dienstleistung anbietet, besagt er. Auch das Guggenheim in der baskischen Baisse ist natürlich Programmpunkt, und es spricht wiederum für die Ausstellung, dass sie diesen Singulär nicht unkommentiert lässt. Der Effekt nämlich ist vielfach der gegenteilige, auch wenn sich das zu den Bürgermeistern und Provinzfürsten noch nicht herumgesprochen hat. Santiago de Compostela wollte dann auch so etwas haben, Peter Eisenmans Entwurf ist ein Fiasko geworden. In Sevilla haben sie den Deutschen Jürgen Mayer H sein „Metropol Parasol“ aufstellen lassen, ein monsterhaftes Rhizom von Giftpilz quer durch die Altstadt. Zaha Hadids Opernhaus in Guangzhou hat 1,3 Milliarden Euro gekostet, aber dafür kein Ensemble, und die Elbphilharmonie von Herzog/de Meuron wird ohnedies nie fertig. Metropol Parasol (Detail), Sevilla, Foto: Fernando Alda | Opernhaus in Guangzhou, Foto: © Iwan Baan | Elbphilharmonie, Foto: © Phillip Hoffmann | Ciudad de la cultura, Santiago de Compostela, Architekt: Peter Eisenman Letztes Wochenende haben sie in Birmingham ihre neue Stadtbibliothek eröffnet, das Projekt ist ebenfalls Teil der Präsentation. Die Library soll die größte der britischen Inseln werden, erwartete 15.000 Besucher täglich sprechen die Sprache der Global Player. Womöglich wird es ein Erfolg, wie die Oper von Sydney, die Tate Modern oder natürlich das Pompidou längst Modelle abgeben für das Management von Kulturquantität. 825.000 Besucher hatte das Kunsthaus Graz im letztes Jahrzehnt. Das Guggenheim Bilbao hat jedes Jahr mehr als das. Das Kunsthaus Graz hat dafür bewirkt, dass die glorreiche Neue Galerie als eigener Ort nicht mehr existiert. Zentralisierungsmaßnahme: Sage niemand, dass solche Effekte unbeabsichtigt wären. Stadtbibliothek Birmingham, Foto: Bs0u10e01 © Wikimedia Commons
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
na, na..
bitteichweisswas | 01.10.2013 07:28 | antworten
..so schwarzmalen u ins ewig gleiche "früher war alles besser-Horn" blasen, ist auf die Dauer auch fad..

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