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Yoko Ono. HALF-A-WIND SHOW.: Video-Himmel über Fluxus-Rock

Das epochale Œuvre der Yoko Ono als Pionierin von Fluxus und performativer Konzeptkunst von seinen Anfängen an zu zeigen, das war längst an der Zeit. Seit »Y E S Yoko Ono« vor fast eineinhalb Jahrzehnten gab es kaum eine Retrospektive von ähnlicher Dimension wie dieses von der Schirn Kunsthalle Frankfurt vorbereitete Kooperationsprojekt, das jetzt in Krems Station macht. Hier fällt gleich die Tendenz auf, die pop-kulturell codierte Avant Garde zu präsentieren wie Klassiker im Museum. Diesen Eindruck verstärken die in Blautönen eingestrichene Wände und die phasenweise auratisierende Beleuchtung wie oft in diesen Räumen. Man denke nur an die Francis Picabia Schau, an Daniel Spoerri oder an »Große Gefühle«. Dem Verständnis der frühen Yoko Ono, die Kunst von den 1950er Jahren an als bürgerlichen Fetisch negierte und somit konventionelle Werkbegriffe und rigide soziale Konventionen aufzubrechen trachtete, hätte dies sicher nicht entsprochen. Die Inszenierung ist aber als Versuch anzuerkennen, die oft zum Immateriellen neigenden Konzepte der Künstlerin konturiert zu rahmen. Als Exposeé werden Performance, Video und Installation vor dem Hintergrund von Yoko Onos Zusammenarbeit mit John Cage sowie ihre Brückenschläge zwischen östlicher-japanischer Mentalität und westlicher Moderne aufgerollt. Poetische Aspekte transportieren ihre Himmelsarbeiten. In diesen frühesten Video-Werken der Kunstgeschichte, in »Sky Machine« (1961) oder »Sky TV« (1966) – in Krems in technisch erneuerter Form – wo Bilder des Himmels auf TV-Bildschirm übertragen werden, spielen Wolkenformationen die Hauptrolle. Nicht nur subjektives Träumen und Experiment hatten dahin geführt. Auch die Auseinandersetzung mit Yves Klein, der schon 1946 am Strand von Nizza den mediterranen Himmel per Geste signiert hat. In der Eingangssituation durch die Glaswand im Zugangskorridor auch einsehbar: eine Variation der »Morning Beams« in der großen Halle. Im Inneren dann bald eine dokumentarische Fotografie von »LIGHTING PIECE« (1955). Dafür saß Yoko Ono an einem Flügel, ohne eine einzige Taste zu drücken. Stattdessen ließ sie ein Streichholz abbrennen. Das war (Nicht-)Handlung, Dramaturgie, subversive Performance. Drei Jahre davor hatte David Tudor »4.33« von John Cage zum ersten Mal aufgeführt. »Painting To Be Stepped on« (1961 / 2013) setzt die Idee des Performativen dann anders – als Einladung an das Publikum, das Kunstwerk doch zu betreten – fort, während »Painting To Hammer A Nail« (1961/1966) an Günther Uecker erinnert. Es folgt das inhaltliche Kernstück, das jenen Paradigmenwechsel von Bild und Text zu Performance und Partizipation an Hand jener Werke ausbreitet, die Yoko Ono 1965 im New Yorker Kunstraum des Fluxus-Begründers George Maciunas zeigte: kurze teils phantastische, teils real nachvollziehbare Handlungsanweisungen geschrieben mit schwarzer Tinte auf Papier. Diese Idee setzte Yoko Ono später als »Paintings To Be Constructed In Your Head« (1995) und jetzt als Interventionen »en miniature« direkt an die Wände der Kunsthalle geschrieben fort. Maßgeblich jedoch, dass hier das Werk erst vollständig wird durch die Involvierung des Publikums. In dieser Verschneidung von Schrift, Text, Anweisung, Partitur, Notation, Aktion und Partizipation liegt das formal Revolutionäre und der gesellschaftspolitische Aufbruch begründet. Wie früh Yoko Ono Genre-Grenzen und vor allem die den Frauen in allen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten zugewiesenen Demarkationslinien überschritt, zeigt das Video zu »Cut Piece«, eine Performance, die sie 1965 schon im Sôgetsu Art Center in Tokio und später in der Caneggie Hall in New York aufführte: auf der Bühne wurden einer jungen Frau im wörtlichen Sinn die Kleider vom Leib geschnitten. Die Thematisierung von Gewalt bei mitschwelenden Gefühlen von Panik. Eine historische Markierung. Zwar hatte Carolee Schneemann in ihren Loft-Environments bereits mit Body-Performances begonnen. VALIE EXPORT oder Marina Abramovic aber betraten die Bühne erst später. Sehr schön plastisch, skulptural inszeniert das zerschnittene Zimmer »Half-A-Room« aus den späten 1960er Jahren. Etwas verloren hingegen »Balance Piece« (1997/2010), ein Raumausschnitt mit Magnetisierung per Hufeisen. Und wer den Film »Fly« (1970) mit einer Fliege auf dem Terrain eines nackten Frauenkörpers im Wiener Gartenbau-Kino gesehen hat, dem erscheint die Projektion hier sicher winzig. Deutlich abgekühlt wirkt die Ausstellung allerdings, wo die Geschichte mit John Lennon beginnt. Natürlich kommen Auftritte wie das »Bed-in for Peace« im Hilton Hotel, Amsterdam (1969) vor, doch scheint sich hier jene Schwierigkeit aufzutun, welche die Rezeption von Yoko Ono seit jeher begleitet: Als Künstlerin anfangs nur von informierten Szenen wahrgenommen, blieb ihr Werk lange durch ihre Ehe mit John Lennon, dessen Ermordung sowie auch noch alle möglichen Gerüchte um das Auseinanderbrechen der Beatles überdeckt. Dass Live-Auftritte mit John Lennon und (dem von Edgar Varese beeinflussten) Frank Zappa – wie 1972 auf der von Phil Spector produzierten DOLP »Some Time in New York City« dokumentiert – ebenfalls von John Cage und dessen Konzepten von entgrenztem Sound beeinflusst waren, und der dezidiert politische Pop der Ono inhaltliche Rückbindungen zu ihren Performances aufweist, lässt sich offenbar schwer in eine Balance mit ihren künstlerischen Setzungen bringen. So wirkt jener Abschnitt, in dem es um Yoko Onos musikalisches Schaffen und deren Präsenz im Kontext von Pop geht eher wie ein Appendix; konkret gesagt wie die beigefügte Info-Zone in einem alternativen Kunstraum: Plattencover wie ehemals in einem Shop und Videos im Kleinformat. Vielleicht der Ausdruck einer allgemein noch nicht gelösten Ratlosigkeit um den entsprechenden approach. Insgesamt aber ein umfassendes und abgerundetes Projekt , das die Bedeutung dieser unentwegt aktiven Ausnahmekünstlerin im Kontext der Avant-Garde des 20. Jahrhunderts hervorragend beleuchtet.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Yoko Ono. HALF-A-WIND SHOW.
20.10.2013 - 23.02.2014

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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