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Kokoschka - Das Ich im Brennpunkt: Oberwildling, Brandstifter, Zeitzeuge

Die Unterschiede zwischen den beiden Herrschaften könnten größer nicht sein. Der eine, starr wie gemeißelt, einen strengen Zwicker auf der Nase, die Seitenhaare akkurat über den kahlen Kopf frisiert, blickt nahezu mit Argwohn auf sein durch die Dynamik seiner Bewegung verzerrt wiedergegebenes Gegenüber. Wird der heitere Zeitgenosse mit prägnantem Schädel und fülligem Kurzhaarschnitt den älteren Herrn gleich schütteln oder ist es nur das joviale Schulterklopfen einer Begegnung unter alten Bekannten? In der Tat, die beiden Herrn kennen einander schon länger, ein halbes Jahrhundert, um genau zu sein. Besagtes Treffen fand 1955 in der Wiener Secession statt, bei dem einen handelt es sich um Josef Hoffmann, beim anderen um Oskar Kokoschka, der nun bei seiner Ausstellungseröffnung in Aktion von Franz Hubmann fotografiert wird. Hoffmann gehörte seinerzeit zu den Hauptverantwortlichen der großen Kunstschau 1908, der ersten Ausstellungsbeteiligung des jungen Talentes. Die weiteren Lebensläufe der beiden könnten auch unterschiedlicher nicht sein. Hoffmann war geblieben, hatte sich, ohne jemals wirklich Schaden zu nehmen, mit jeglicher Obrigkeit arrangiert Kokoschka war emigriert, aber eigentlich hatte er das Land schon viel früher verlassen, hat sich oftmals eben an jenen Orten aufgehalten, die für den Moment und den Verlauf der weiteren Historie relevant waren. Er war nach Dresden gegangen, hatte eine Zeit in Paris verbracht, lebte in Prag, floh nach London, hatte in den USA unterrichtet, um schließlich in Villeneuve seinen Lebensabend zu verbringen. „Kokoschka – Das Ich im Brennpunkt“ nennt sich eine Ausstellung, die nun in Zusammenarbeit mit dem Oskar Kokoschka Zentrum der Universität für angewandte Kunst, Hort der 5000 Fotografien aus dem Nachlass des Künstlers, realisiert wurde. „Kokoschka hat soweit wir wissen nie selbst fotografiert“, führt Tobias Natter, bis vor kurzem Direktor des Leopold Museums, aus. „Aber er hat wie kaum ein zweiter Künstler quer durch das 20. Jahrhundert die Fotografie als Medium der Selbstinszenierung genutzt.“ Es ist ein famos inszeniertes Zusammenspiel von 220 Aufnahmen teils namhafter Fotografen, 32 Gemälden, diversesten Graphiken und Dokumenten, vervollständigt durch Film- sowie Tonaufnahmen, das eine sehr vitale Gesamtschau hält über Leben und Werk eines Zeitzeugen über ein knappes Jahrhundert. Freilich hat der scheidende Direktor die Ausstellung nicht alleine konzipiert, Bernadette Reinhold, Patrick Werkner und Franz Smola brachten ebenfalls ihre Kompetenzen ein, doch hat es derlei der Thematik adäquate Zugänge vor der Ägide Natters in diesem Haus nicht gegeben und es ist zu befürchten, dass es sie nun auch nicht mehr geben wird. Gerade hierzulande mag man Kokoschka womöglich als Oberwildling des Wien um 1900 abgespeichert haben, später dann kehrte er saisonal nach Salzburg zurück, um dort ab 1953 für zehn Jahre die Sommerakademie zu leiten. Außerhalb der Grenzen wurde er jedoch für seine Stadtansichten, in Deutschland als Portraitist der versammelten Politprominenz wahrgenommen und das mit ungebrochenen Erfolg. In der Bundesrepublik brachte ihn das bisweilen die Bezeichnung „bedeutendster Maler der Gegenwart“ ein. Als 1967 die erste Ausgabe der Zeitschrift Eltern erscheinen sollte, inszenierte der Pressefotograf Sven Simon, ursprünglich und zu seinem Unglück auf den klingenden Namen Axel Springer jn. getauft, eine Reihe von illustren Leuten in der Montur des Wunschberufes der Kindheit. Kokoschka war auch dabei. Überliefert sind zwei Versionen, als Zauberer und als Brandstifter. Publiziert wurde zweitere.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Kokoschka - Das Ich im Brennpunkt
04.10.2013 - 27.01.2014

Leopold Museum
1070 Wien, Museumsquartier
Tel: +43 1 525 70-0, Fax: +43 1 525 70-1500
Email: leopoldmuseum@leopoldmuseum.org
http://www.leopoldmuseum.org
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Unadäquate Äußerung über adäquate Zugänge
Klaus Pokorny | 26.11.2013 06:55 | antworten
Sicher, die von Tobias G. Natter und Franz Smola gemeinsam mit Bernadette Reinhold und Patrick Werkner kuratierte Schau ist von höchster Qualität. Wenn Sie allerdings schreiben, dass es "derlei der Thematik adäquate Zugänge" vor der Ägide Natters im Leopold Museum nicht gegeben hätte und dass Sie fürchten, "dass es sie nun auch nicht mehr geben wird", blenden Sie die hervorragenden Projekte vor 2012 aus. Ich darf an "Kolo Moser", "Edvard Munch und das Unheimliche", die Ausstellungen zu Olbrich und Auchentaller oder die Barlach-Schau erinnern, an Otto Muehl oder Hermann Nitsch im Leopold Museum, "Melancholie und Provokation. Das Egon Schiele-Projekt" u.v.m. Und auch in Zukunft wird das Leopold Museum zu überraschen wissen.

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