Sarah Lucas - NOB + Gelatin: Die Erfindung des Damenwitzes

Schraubentreiber, Fleischwolf, Bohrerstück, pochender Knorpel oder brauner Hutmacher: In ihrem Buch „nob“ versammelt Sarah Lucas Synonyme für den Phallus, daneben stehen jeweils SW-Fotos von ihren Arbeiten am lebenden Modell: Einst nahm sie nämlich die Form vom erigierten Penis ihres Boyfriends ab, was hier in aller Ausführlichkeit präsentiert wird (und weniger mit Erotik denn mit Handwerk zu tun hat). Erschienen ist der Band anlässlich von Lucas’ Ausstellung in der Secession, die sich ebenfalls weitgehend um das beste Stück dreht. Zwei riesenhafte bronzene Kürbisse, in denen sich der Hauptraum des Olbrich-Baus verzerrt spiegelt, verweisen auf irgendwelche Gemüsezuchtwettbewerbe in Großbritannien – wie auf der ganzen Welt ist auch hier jener der Sieger, der, haha, „den größten hat“. Auf einem monumentalen Plakat lugen Brustwarzen aus zu ebendiesem Zweck ausgeschnittenen T-Shirt-Löchern, und an den Seiten stützen sich zwei riesige Betondildos (einmal zu Boden, einmal gen Himmel gerichtet) auf Sockeln aus komprimierten Autowracks à la Arman. Im hinteren Bereich machen es sich vier Hühner in einem Stall gemütlich, sie wurden von Gelatin beigesteuert (sozusagen ein Huhn für jeden der Gelatin-Boys). Ja, das ist alles ganz lustig, die Chicks und die Mitglieder, die Nippels und das Gemüse, das Dildo-Auf-und-Ab; auch die Inszenierung des Raumes gelang gut, was man nicht von jeder Ausstellung hier behaupten kann. Und natürlich antwortet Lucas auf die Jahrhunderte währende Unterrepräsentation männlicher Sexualität in der Kunst, was zwar schon viele vor ihr ebenfalls gemacht haben, aber warum nicht. Nur versucht die Künstlerin offenbar so was wie ein Pendant zum Herrenwitz zu entwickeln, und vielleicht ist das ja der Gipfel der Emanzipation – unklar bleibt jedoch, wie ironisch sie mit diesem, nennen wir ihn einmal provisorisch Damenwitz, selbst umgeht. Denn: Kürbisse als Penisse, diesen Schmäh kann doch wirklich keiner mehr ernst meinen.