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Walter Niedermayr: Der blinde Fleck

\"Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar\", schrieb Paul Klee 1920 mit Bezug auf die Abstraktion. Doch wusste bereits Caspar David Friedrich, dass ein Maler es unterlassen solle zu malen, was er vor sich sieht, wenn er nicht zugleich auch etwas in sich sehe. Und spätestens seit Gerhard Richter haben wir uns wieder angewöhnt, in Bildern, die etwas Sichtbares wiedergeben, nach dem zu suchen, was nicht zu sehen ist. Walter Niedermayr arbeitet mit Fotografie. Interessanterweise erinnert er dabei des öfteren an künstlerische Ahnen wie Pieter Bruegel oder Ando Hiroshige. Die Schifahrer auf dem Berg, die Autobahnbrücke, das Krankenhaus sind Ausschnitte aus der Wirklichkeit, die nicht manipuliert sind. Trotzdem bilden seine großformatigen, meist zwei- oder mehrteiligen Arbeiten die sichtbare Welt nicht einfach nur ab. Den Betrachter überkommt immer das Gefühl, als ob hier etwas nicht stimmt. Sieht nicht der Landschaftshintergrund der Schifahrer aus wie aufgeklebt? Sollte sich die Autobahnabfahrt nicht in eine andere Richtung fortsetzen? Ein Weg, dieses Befremden zu erzeugen, ist, dass die Fotos meistens viel zu hell ausgearbeitet sind. Besonders bei den Schneelandschaften kommt das gut, weil die farbigen Elemente vor dem weißen, für das Auge nicht als Gegenstand greifbaren Grund wie aufcollagiert aussehen. Ein zweiter ist, dass sich in mehrteiligen Arbeiten - meist von architektonischen Räumen - die einzelnen Elemente teilweise überlappen, gegeneinander versetzt sind oder sogar gegenüberliegende Ansichten zeigen. Sie entstehen immer sichtbar als Summen aus der Addition einzelner Teile. Damit reflektiert Niedermayr den Vorgang des Sich-ein-Bild-Machens. Immer geht es um das Verhältnis von Ausschnitten zu einer Gesamtheit, die sich als Illusion erweist. Niedermayr macht in seinen Fotos nicht nur das Stückwerk unserer Wahrnehmung sichtbar, sondern darüber hinaus auch jene Besonderheit, die dieselbe erfolgreich negiert: Jenen Punkt auf der Netzhaut, an dem der Sehnerv austritt. In seinen \"Zivilen Operationen\" legt Niedermayr frei, wie auch die Auslassung unsere Realität bestimmt. Er öffnet uns die Augen für den blinden Fleck.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Walter Niedermayr
31.01 - 27.04.2003

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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